Anja Alchemilla

Die Schwierigkeiten der Rückkehr in den PTA-Beruf

, Uhr
Berlin -

Es hat sich vieles an der Arbeitsweise in den Apotheken verändert in den vergangenen zehn Jahren. Rezepte, die man in die Hand gedrückt bekommt und einfach nur abgeben muss, was der Arzt verordnet hat, gibt es kaum noch. Wer da als Wiedereinsteiger nach ein paar Jahren Apothekenabstinenz zurückkommt, hat es nicht leicht.

Anja führt eine potenzielle neue Kollegin durch die Offizin. Die PTA, die sich in der Filialapotheke umschauen möchte, hat drei Kinder großgezogen und knapp neun Jahre pausiert. Nun sucht sie für acht Stunden in der Woche einen Minijob. Was läge da näher, als es in einer Apotheke in der Nähe ihrer Wohnung zu versuchen? Das etwas eingerostete Wissen von damals lässt sich sicher schnell wieder reaktivieren, oder? Um diese Frage zu klären, läuft sie erst einmal zwei Tage im Betrieb mit und schaut sich am möglichen neuen Arbeitsplatz um. Die Kolleginnen sehen ja schon einmal ganz nett aus denkt sie – und der Rest kommt sicher auch von alleine.

In der Rezeptur angekommen schaut sie sich mit Anja alles an. „Warum habt ihr denn diese schönen Glasstandgefäße nicht in Benutzung? Die sehen doch viel schöner aus als diese bunt zusammengewürfelten Originalgefäße finde ich." Die Filialleiterin nickt „Das finde ich auch. Aber das QM-System erlaubt das Auspacken nicht mehr. Aus Hygiene- und Selbstschutzgründen. Hier ist übrigens die Bestandsliste, die du mit den Kolleginnen zusammen einmal im Jahr durchgehen musst. Hier werden alle Rezepturgrundstoffe und Chemikalien samt den Mengen eingetragen die wir an Lager haben. Schau dann am Besten auch gleich nach, dass die Sicherheitsdatenblätter aktuell sind.“

Die PTA notiert sich das in ihrem mitgebrachten Büchlein. „Wo ist denn euer Giftbuch in das die abgegeben Chemikalien und die Kundenadressen eingetragen werden?“ Anja wiegt den Kopf: „Sowas haben wir jetzt nicht mehr. Wir dürfen alle keine Chemikalien an den Endverbraucher abgeben, weil unsere Sachkenntnis nach über sechs Jahren Studiums- beziehungsweise Ausbildungsende ruht. Deine übrigens auch. Du müsstest ein Seminar besuchen um sie zu aktivieren, aber das lohnt sich für uns hier in der Filiale nicht. Sollte ein Kunde so etwas haben wollen, schicken wir ihn in die Hauptapotheke." Wieder notiert die PTA sich das gewissenhaft.

Sie kommen in den Warenwirtschaftsbereich. Anja zeigt ihr die Listen auf denen sie die Temperaturlogger der verschiedenen Bereiche kontrollieren und abzeichnen muss. „Die arbeiten zwar automatisch und zeichnen alle Kurven auf und ich bekomme auch eine SMS, sobald sich irgendwas in die falsche Richtung verschiebt, aber unser Pharmazierat will, dass wir das händisch noch einmal bestätigen.“ In diesem Moment stößt die PKA Arife einen Schrei aus: „Aaah! Sie sind daaaa! Sie sind endlich wieder da!“ Sie zeigt Anja eine ganze Großhandelswanne voller Valsartan in allen Größen. „Ich lege mir gleich drei Stück für meinen Papa auf die Seite, wenn das okay ist! Wer weiß wann wie die wieder bekommen!“ Anja nickt: „Mach das – aber vergiss unsere Stammkunden nicht Arife. Die freuen sich genauso darüber. Hach... fast wie Weihnachten, nicht wahr?“

Ungläubig staunend steht die potenzielle neue Kollegin daneben. „Ihr freut euch über eine Großhandelsbestellung?“ Die Filialleiterin erklärt ihr den Sachverhalt und zeigt ihr die lange Defektliste. „Ach du meine Güte! Das ist ja übel! Sag mal – wie erklärt ihr denn euren Kunden sowas? Die sind doch bestimmt stinksauer wenn sie ihre Medikamente nicht bekommen, oder?“ Anja stimmt ihr zu: „Oh ja... auf uneingeschränktes Verständnis treffen wir da selten. Aber wir haben uns für solche Fälle ein paar Erklärungssätze notiert. An denen kannst du dich orientieren.“ Hier ist übrigens ein selbst gestaltetes Schaubild zur Abgabe von Inkontinenz- und Medizinprodukten bei den verschiedenen Krankenkassen. Aber auch das ändert sich ständig, da muss man wirklich auf dem Laufenden bleiben.“

Die PTA schaut sie fassungslos an und schreibt sich auch nichts mehr in ihr Notizbuch. „Wie ist das denn mit den Rabattverträgen? Die kenne ich ja noch aus der Zeit vor den Kindern. Wie setzt das euer Programm an der Kasse um?“ Anja zeigt ihr im Demoprogramm einige Funktionen. „Aber weißt du, das ändert sich ohnehin alles im nächsten Monat weil wir einen neuen Rahmenvertrag bekommen. Die wichtigsten Änderungen kannst du dir Zuhause auf der Adhoc-Seite durchlesen. Es gibt darüber auch Infovideos von der Kammer. Die dauern etwa eineinhalb Stunden, dann weißt du das wichtigste schon mal. Hier ist auch ein Schaubild zur groben Orientierung.“ Anja schiebt es der PTA herüber die es kopfschüttelnd durchliest. Am Ende des Tages ist sie verunsichert: Soll sie wirklich so viel Arbeit investieren, um sich wieder in ihren alten Beruf hereinzufuchsen, bei dem es anscheinend nur noch um Mangelverwaltung und Bürokratie geht und überall Retaxgefahren sammeln? Oder wäre es nicht leichter, das Geld in der Drogerie zu verdienen und nur Regale einzuräumen?

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