Es war ein Jahrhundertereignis. Ein Chirurg in Südafrika hat vor 50 Jahren das erste Mal ein Herz transplantiert. Der Eingriff war nicht unumstritten. 15 Jahre später folgte das erste Kunstherz. Kritiker sprachen von einem Frankenstein-Eingriff.
Die weltweit erste Herztransplantation vor genau 50 Jahren ist ein Meilenstein der Medizingeschichte: „Es war ein Jahrhundertereignis“, erklärt der renommierte Schweizer Herzchirurg René Prêtre. „Es war wie ein Donnerschlag. Plötzlich schien es den Menschen, als gebe es in der Medizin keine Grenzen mehr.“ Hunderttausende Kranke weltweit schöpften plötzlich Hoffnung.
Am 3. Dezember 1967 gelang dem Chirurgen Christiaan Barnard in Kapstadts Groote Schuur-Hospital die erste Herztransplantation. Der Sohn eines burischen Predigers der Heilsarmee hatte als Erster die medizinische Pioniertat gewagt. „Ein Herz zu transplantieren ist nicht nur eine Organtransplantation, man transplantiert das Leben an sich“, erklärt Prêtre, Leiter des CHUV-Herzzentrums in Lausanne. Die Nachricht aus dem damaligen Apartheidsstaat ging wie ein Lauffeuer um die Welt. Der 45-jährige Barnard wurde über Nacht weltberühmt.
Der erste Mensch mit fremdem Herzen war der Lebensmittelhändler Louis Washkansky. Das Herz des 55-jährigen Diabetikers war irreparabel zerstört. Als in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember eine 25-jährige an den Folgen eines Verkehrsunfalls starb, entschloss sich Barnard zu seinem spektakulären Schritt. Mit Spannung verfolgten Mediziner und Patienten rund um den Globus, wie der Empfänger auf sein neues Herz reagierte. Tatsächlich ging es Washkansky täglich etwas besser – bis er nach 18 Tagen an einer Lungenentzündung starb.
Kritiker warfen Barnard vor, aus Prestige einen Wettlauf um den ersten Platz veranstaltet zu haben. Denn weltweit standen viele Ärzteteams vor ähnlichen Eingriffen. Drei Tage nach Barnards Operation etwa übertrugen Ärzte um Norman Shumway in New York einem Säugling ein Spenderorgan – das Baby starb aber nach wenigen Stunden. Barnard und Shumway kannten sich, konnten sich aber Berichten zufolge nicht leiden. Shumway hatte jahrelang entscheidende Vorarbeiten geleistet. „Er hatte seine Ergebnisse publiziert, damit waren sie öffentliches Gut“, meint Prêtre. Man könne also nicht sagen, dass Barnard ihn bestohlen hätte, so der Herzchirurg.
Die Pioniertat des 2001 verstorbenen Barnard löste auch eine ethische Debatte aus: Darf man ein derart emotional besetztes Zentralorgan verpflanzen? Wie kein anderer Eingriff rührte die Übertragung des Herzens an einem Tabu: Seit jeher galt das pulsierende Organ in der Brust als Sitz der Seele. Zudem ist das Herz kein anonymes Organ – anders als etwa Leber oder Nieren spürt man es. Es schlägt schneller bei Aufregung oder Freude, langsamer im Lesestuhl.
Doch nach der ersten Herztransplantation setzte ein richtig gehender Wettlauf ein. Bis Oktober 1968 erhielten weltweit 66 Patienten ein fremdes Herz – doch viele von ihnen überlebten nur Tage oder Wochen. Der erste Deutsche, dem im Februar 1969 ein Spenderorgan in die Brust genäht wurde, starb am selben Tag. Erst als eine neue Therapie die Abstoßreaktionen der Empfänger minderte, wurde der Eingriff in den 1980er Jahren zur akzeptierten Routineoperation.
Weil die Wartelisten lang sind, sind Patienten heute oft schon sehr geschwächt, wenn sie endlich eine Transplantation bekommen. Bis zu zehn Prozent aller Patienten überleben den Eingriff einer Herztransplantation nicht, so Prêtre. Fünf Jahre nach dem Eingriff leben dann noch etwa zwei Drittel der Empfänger, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation erklärt. „Bei gutem Verlauf und nach einer angemessenen Erholungszeit leiden herztransplantierte Personen kaum noch unter einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit“, heißt es. In Deutschland werden jährlich rund 300 Herzen verpflanzt.
Vor genau 35 Jahren, also 15 Jahre nach Barnards Pioniertat, folgte ein weiterer Meilenstein: Chirurg William DeVries pflanzte am 2. Dezember 1982 im Krankenhaus der University of Utah in Salt Lake City dem schwer herzkranken 62-jährigen Zahnarzt Barney Clark in einer siebenstündigen Operation das weltweit erste Kunstherz ein. Das nach seinem Erfinder „Jarvik-7“ genannte Kunstherz war mit einem rund 180 Kilogramm schweren Luftkompressor außerhalb des Körpers verbunden. Er begleitete Clark 112 Tage lang, bis der Patient schließlich starb.
Er selbst sei von vorneherein optimistisch gewesen, erinnerte sich Chirurg DeVries später in einem Interview. „Ich habe absolut daran geglaubt, dass die Implantation funktionieren würde – sonst hätte ich es nicht getan.“ Das Experiment habe die Welt fasziniert, heißt es bei der University of Utah. „Andere haben es aber auch mit Frankenstein-artigen Aspekten in Verbindung gebracht und ethische Fragen und Sorgen aufgeworfen“, so die Universität. Nach der Operation wandte sich Clark an seine Frau: „Ich möchte dir sagen, dass ich zwar kein Herz mehr habe, aber dich immer noch liebe.“
Heute wird ein natürliches Herz nur noch extrem selten durch ein Kunstherz ersetzt. Die Systeme sind vielmehr als Ergänzung der natürlichen Herzen konzipiert, erklärt Prêtre. Sie werden vor allem als Überbrückungsmaßnahme eingesetzt, so lange ein Patient auf ein Spenderherz wartet. „Aber der Apparat von DeVries hat dabei geholfen, die heute eingesetzten Kunstherzen zu entwickeln.“
APOTHEKE ADHOC Debatte