Die Avie Forst-Apotheke in Oberhausen ist als sehr tierlieb zu bezeichnen: In der Offizin ist jedes Tier willkommen. Doch an einem Tag fand ein ganz besonderes Lebewesen den Weg in die Apotheke, wie PTA Nina Rieforth berichtet.
Das Ganze begann mit einer telefonischen Bestellung einer Stammkundin. Der Kundenwunsch wurde gehandhabt wie jeder andere auch. Und da die Kundin ja bekannt war, verlangte die Apotheke von ihr auch keine Vorleistung.
Noch am selben Tag traf die nicht ganz so alltägliche Bestellung vom Großhandel in der Apotheke ein: In einem Pappkarton wurde ein kleines Schraubglas geliefert. Und darin war er: ein Blutegel. Welche große Bedeutung das kleine Tier für das Team später mal haben sollte, war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Das Glas wanderte zunächst einmal in Richtung Abholregal, um dort von der rechtmäßigen Besitzerin in Empfang genommen zu werden.
Eine Woche verging, doch der Egel war noch da. Damit das kleine Tierchen nicht verdurstete, goss das Team regelmäßig Wasser nach und umsorgte den Egel bestmöglich. Doch auch in den Tagen und Wochen danach wechselte der Egel sein zu Hause nicht. Die Kundin vermisste ihn wohl nicht.
Nach drei Wochen konnte das Team die Kundin endlich erreichen. Sie habe den Egel nicht vergessen, nur musste sie aufgrund eines familiären Notfalles in eine andere Stadt verreisen. Sie kümmere sich aber um die Abholung, hieß es. Auch eine weitere Woche später stand der Blutegel immer noch im Abholregal. Das Auffüllen des Wassers gehörte für das Team schon zur festen Routine. Und irgendwie gehörte das Tier nach wochenlangem Apotheken-Aufenthalt zum Inventar. Es entstanden Gefühle der Fürsorge, schon fast mütterlich.
Nina erkundigte sich, was ein Egel eigentlich so braucht: Fressen, trinken, Atmosphäre. „Nicht, dass er uns hier eingeht.“ Und praktischerweise brauchen Blutegel nicht viel zum Glück: Ein paar Steinchen in einem Einwegglas und regelmäßig etwas frisches Wasser. Der einzige Haken: Wie der Name des Tieres verrät, braucht ein Blutegel regelmäßig Blut zum Überleben. Die Kollegen erklärten sich nicht dazu bereit, ihr Blut zu spenden. Da ginge die Liebe zu weit. Eine andere Alternative wäre eine semipermeable Folie, welche auf das Wasser aufgebracht werden kann und mit ein paar Tropfen Schweineblut bedeckt wird. Egel können das Blut riechen und sich dann selbst versorgen. Die Folie war aber beim Großhandel nicht lieferbar. Dennoch eilte das Ganze nicht, da Blutegel bis zu einem halben Jahr ohne Blut bestens auskommen. Über weitere Lösungen der Versorgung wurde nachgedacht.
Dem Egel wurde also ein kleines Paradies eingerichtet und er durfte schließlich umziehen: Er hat sich direkt wohl gefühlt und ist umher geschwommen. Er wirkte fröhlich, soweit man die Körpersprache eines Blutegels als fröhlich deuten kann. Mit der Errichtung der Blutegelfestung musste auch ein Name her: Der kleine Vampir des Gewässers wurde auf den Namen Egelbert getauft. Die Adoption war perfekt und somit wurde er zum neuen Apotheken-Maskottchen.
Auch die Option der Weitergabe wurde ausgehend geprüft, für den Fall, dass bei der nächsten Revision die Pharmazieräte nicht so begeistert vom kleinen Maskottchen gewesen wären. Jedoch ist das Aussetzen der Tiere strengstens verboten, da es als Verschmutzung der heimischen Gewässer und Arten gewertet wird. Für alle Fälle gibt es aber Blutegel-Auffangstationen.
Eines Morgens wendete sich das Blatt aber tragisch: Egelbert lag regungslos in seinem Zuhause. Die Trauer war groß. Sie hätten sich gerne weiter gekümmert und er gehörte schließlich auch schon fest zum Team. Auch der Chef war sehr angetan vom Maskottchen und interessierte sich stets, ob es dem kleinen Tier gut geht.
Über einen Egelbert 2.0 hat das Team noch nicht so recht nachgedacht, aber nach unserem Gespräch wusste Nina: So ein Maskottchen tut dem Team einfach gut. Und jeder, der jetzt daran denkt, sich auch einen Egelbert anzuschaffen: Beim Großhandel gibt es für 10 bis 15 Euro einen kleinen, glitschigen Freund zu bestellen. Wenn also der nächste Außendienst mit einem leckeren Frühstück locken will, sagt zumindest das Team der Avie Forst-Apotheke: Wir wollen lieber einen neuen Egelbert!
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