Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. So schreibt es die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vor. Auch Alexander Jaksche von der Apotheke an der Mathildenhöhe in Darmstadt nimmt diesen Auftrag ernst. Nach einer zurückliegenden Notdienst-Erfahrung schlägt er jedoch eine Änderung der Verordnung vor. Auch wenn die Anregungen scherzhaft gemeint sind, kann er sich über die Anfragen der Kundschaft mitten in der Nacht manchmal nur noch wundern.
Jaksche führt die Apohteke seit 1999. In seinen Nachtdiensten erlebte er wie viele Kolleg:innen zahlreiche Begegnungen, die man nur noch mit Humor ertragen kann, wie er sagt. Als kürzlich ein junger Mann früh um 5.15 Uhr in seine Apotheke kam, war seine Geduld jedoch am Ende. Der Kunde habe Wick-Bonbons verlangt, sagt der Apotheker. „Das war die erste Abgabe im Notdienst, dich ich verweigert habe.“ Stattdessen verwies er den Mann an die nächste Tankstelle.
Diskussionen wegen des Verkaufsboykotts habe es nicht gegeben, sagt Jaksche. Der Mann habe es hingenommen. „Bisher habe ich deshalb keinen Shitstorm bekommen.“ Allerdings kam ihm nach dieser Begegnung eine Idee. Apotheken könnten einen Zusatzverdienst machen und Kioske entlasten. „Um die Bevölkerung rund um die Uhr mit lebensnotwendigen Gütern zu versorgen, wird die Apothekenbetriebsordnung dahingehend geändert, dass Apotheken künftig zu Notdienstzeiten, aber keinesfalls während der normalen Öffnungszeiten folgende Artikel in ausreichender Menge und Auswahl zur Verfügung zu halten haben.“
Dazu gehörten Zigarretten und zwar mindestens zehn Sorten, natürlich Babynahrung inklusive der Allergie-getesteten Sorten sowie in Bio-Qualität, Kondome sowie Gleitgel und „selbstverständlich alkoholische und nicht-alkoholische Getränke in ausreichender Auswahl“. Durch den zusätzlich zu erwartenden Umsatz werde die Notdienstgebühr natürlich gestrichen und durch eine Zulage über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) ersetzt.
Natürlich werde die Apotheke in gewohnter Manier ihrem bürokratischen Auftrag nachkommen: „Dafür dokumentiert die Apotheke sämtliche Abgaben auf einem vorgegeben Sonder-Rezept-Formular oder wahlweise über das Deutsche Apothekenportal“, schlägt er vor. Die Aufbewahrungsfristen seien dabei natürlich für zwei Jahre festgeschrieben. Im Apothekenportal könne – patientenorientiert wie die Apotheken eben seien – auch das Sortiment der vorrätig gehaltenen Spirituosen über einen Schieberegler freigeben, damit der Kunde vorab wisse, ob sich die Fahrt überhaupt lohnt.
Natürlich sei dieses neue „Nachtdienst-Geschäftsmodell“ nicht Ernst gemeint. Dennoch beschreibt Jaksche Situationen, die für viele Apotheker:innen im Nacht- und Notdienst immer extremer werden. „Ich bin heilfroh, dass Viagra weiter auf Rezept verschrieben wird. Sonst hätte ich ein Schild ab 22 Uhr aufgehängt, auf dem gestanden hätte ‚Viagra ausverkauft‘.“ Die Bedeutung und der Wert des Notdienstes sei der Bevölkerung nicht bekannt. Einige fordern deshalb, die Notdienstgebühr zu erhöhen oder eine Notruf-Nummer analog zu medizinischen Notfällen einzurichten.
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