Trotz der geltenden Hygienemaßnahmen nehmen Erkältungskrankeiten zu. Auch in die Praxis von Hausärztin Professor Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth kommen immer mehr Patient:innen mit Schnupfen. „In den vergangenen Wochen wird es deutlich mehr“, sagt die Medizinerin. Einen Anstieg erwartet sie auch bei der Nachfrage nach Grippeimpfungen und hofft auf eine reibungslose Lieferung – anders als in der vergangenen Saison. Von den Apotheken wünscht sie sich dabei mehr Transparenz.
Buhlinger-Göpfarth ist seit 19 Jahren als niedergelassene Hausärztin tätig. „Wir sind die Zehnkämpfer der Medizin“, beschreibt sie ihren Beruf – eine andere Fachrichtung wäre für sie nicht in Frage gekommen. Gerade die Abwechslung mache besonders Spaß. „Man weiß nie, habe ich heute Fußpilz oder Herzinfarkt – oder beides. Das finde ich spannend, die Arbeit wird nie langweilig.“
Abwechslungsreich wird es auch in den kommenden Wochen in der Praxis werden, wenn die Covid-19-Auffrischungen mit den Grippeschutzimpfungen kombiniert werden müssen. Die Ärztin setzt gemeinsam mit ihrem Team auf die gezielte Anfrage der in Frage kommenden Patient:innen. „Bei uns sind das die über 80-Jährigen und Patienten mit Immunsuppression.“ Ihnen würden „Huckepacktermine“ angeboten. Die Angestellten vereinbarten dabei im Abstand von zwei Wochen die beiden Immunisierungen.
Die Ärztin sieht sich für die kommende Saison gut aufgestellt. „Wir haben viel Erfahrung mit Impfungen. Die Hausärzte impfen jährlich 20 Millionen mit Grippe und zwar geräuschlos, ohne, dass es von der Politik bemerkt wird.“ Sie wünsche sich zeitnah einen Kombi-Impfstoff für Influenza und Covid-19. „Er wird sehnlichst erwartet, da es sonst kompliziert wird.“ Buhlinger-Göpfarth geht davon aus, dass die Anfragen nach Grippeschutzimpfungen in dieser Saison steigen werden. „Die Menschen sind sensibilisiert.“
Darin sieht die Ärztin eine Chance, Sars-Cov-2 weiter einzudämmen. „Wir werden in diesen Fällen gezielt abfragen, ob eine Corona-Impfung vorhanden ist.“ Wenn dies nicht so sei, werde versucht, die Skeptiker und Zweifler zu überzeugen. Mit guter Beratung sei dies möglich. Untersuchungen zeigten, dass die Impfbereitschaft stark an den Ort und das Vertrauen gegenüber Hausarztpraxen gebunden sei. „Es wäre natürlich schön, wenn der Aufwand besser bezahlt werden würde.“ Buhlinger-Göpfarth setzt sich öffentlichkeitswirksam für die Covid-19-Impfung ein und impfte bereits rund 2100 Menschen, allein 890 davon vor einem Supermarkt. „Wir haben zahlreiche Sonderaktionen gemacht, unter anderem die bundesweite erste Aktion ‚Einkaufen und Impfen‘“.
Das Coronavirus hat den Praxisalltag weiter im Griff. Die steigende Zahl an Patient:innen mit Erkältungssymptomen hänge damit zusammen. „Die Patienten werden vermehrt ambulante Stellen in Anspruch nehmen, um abzuklären, ob es sich um Corona oder eine Erkältung handelt.“ Diejenigen, die früher mit einem Schnupfen zu Hause geblieben sind, kämen jetzt dazu. „Für uns bedeutet das viel mehr Arbeit, weil wir auch noch Abstriche machen müssen.“ Aktuell sei ein „starker Anstieg“ an Erkältungskrankheiten zu beobachten – mehr als in den Vorjahren. „Die Zunahme trotz der Hygienemaßnahmen ist erstaunlich.“
Unterstützung bei den Impfungen durch Apotheken haben die Hausärzt:innen aus Sicht von Buhlinger-Göpfarth nicht nötig. Von Influenza-Impfungen in Apotheken hält sie nichts. „Wir schaffen das, die Apotheken sollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren“, sagt sie. Von den Kollegen in der Offizin wünscht sich die Medizinerin mehr Transparenz etwa bei Lieferengpässen. „Wir hören nur: ‚Es gibt nichts mehr‘“, sagt sie. Die Gründe würden nicht mitgeteilt. „Mir ist klar, dass das eine Kette ist und vielleicht am Großhandel liegt. Für uns ist es schwierig, weil wir Planungssicherheit brauchen und dem Patienten etwas mitteilen müssen. Denn er wendet sich an uns und nicht an die Apotheke.“ In der vergangenen Saison habe sie beispielsweise über drei Wochen hinweg keine Grippeimpfstoffe erhalten. Von einer nationalen Reserve habe sie noch nie etwas gesehen. In ihrer Praxis impft Buhlinger-Göpfarth rund 400 Patient:innen gegen Influenza. In diesem Jahr ausschließlich mit tetravalentem Impfstoff.
Zudem fordert die Ärztin auf eine rasche Einführung des E-Rezepts. „Wir brauchen es, weil schon jetzt Abläufe behindert werden.“ Gerade wegen der Videosprechstunden würde eine papierlose Verordnung die Abläufe erleichtern. Denn die Patient:innen kämen in diesen Fällen nicht mehr in die Praxis, doch das Rezept müsse noch abgeholt werden. An die Umsetzung Anfang 2022 glaubt sie nicht. „Die Gematik muss endlich Lösungen liefern, die funktionieren.“
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