Das Medikationsmanagement zählt zweifelsohne zu den pharmazeutischen Tätigkeiten. Wie sich diese apothekerliche Dienstleistung in der Offizin umsetzen lässt, zeigt das Projekt Athina („Arzneimittel-therapiesicherheit in Apotheken“). Apotheker können in einigen Bundesländern nach entsprechender Fortbildung ein Zertifikat erwerben. Zu ihnen gehört auch Dr. Sandra Schneidereit. Die Filialleiterin der Löns-Apotheke in Buchholz ist die 400. Athina-Apothekerin. In feierlichem Rahmen erhielt sie das Zertifikat von der niedersächsischen Kammerpräsidentin Magdalene Linz persönlich.
Athina wurde ursprünglich von der Apothekerkammer Nordrhein entwickelt. Mittlerweile kommt das Konzept außerdem in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Niedersachsen zum Einsatz. Im Rahmen des Projekts lernen die Apotheker Grundlagen zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und die strukturierte Vorgehensweise zur Durchführung einer erweiterten Medikationsanalyse. Als Vorbild dient der „Brown Bag Review“ in den USA: Patientenfälle aus dem Apothekenalltag werden bearbeitet und vertieft.
Gemeinsam mit dem Patienten findet eine ausführliche systematische Analyse aller Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel (NEM) statt. Die Pharmazeuten überprüfen die Medikation auf Verfallsdaten, Doppelverordnungen, Einnahme/Anwendung, Dosierungen, Kontraindikationen und Interaktionen. Bei Optimierungsvorschlägen wird der Arzt, nach Einverständnis des Patienten, kontaktiert. Zentrales Ziel ist die Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und damit Erhöhung der AMTS. Zudem wird auch die Adhärenz gefördert.
Auch Schneidereit wählte diesen Weg, um ihr Kenntnisse aufzufrischen und zu vertiefen. „Man kann sein Wissen im Berufsalltag einsetzen“, sagt sie. Aus Erfahrungen in der Offizin weiß sie, dass Medikationsfehler häufig auftreten. „Manchmal ist es nur ein Tippfehler“, so die Pharmazeutin. Hin und wieder passiere es aber auch, dass Patienten Arzneimittel von zwei Ärzten bekämen. „Wechselwirkungen und Doppelverordnungen können die Folge sein.“
Schon im Studium sei sie von der Pharmakologie begeistert gewesen: „Ich finde das sehr interessant. Wechselwirkungen, Kontraindikation und Nebenwirkungen sind sehr spannende Themen.“ Ihren Kollegen kann sie nur zu einer Fortbildung raten: „Apotheker können das, was sie im Studium gelernt haben, auch anwenden.“ An den Webinaren könnte man beispielsweise praktisch von zu Hause aus teilnehmen.
Die Apothekerin freut sich sehr über ihre Auszeichnung und hält das Thema AMTS in Apotheken für besonders wichtig. „Gerade bei Menschen, die viele Präparate einnehmen, sollte die Einnahme überprüft werden. Denn vielen ist überhaupt nicht bewusst, welche – unter Umständen verheerenden – Wechselwirkungen kurz- oder langfristig dabei im Körper entstehen können. Auch im Hinblick auf die Selbstmedikation ist hier Vorsicht geboten.“ Das bestätigt auch Kammerpräsidentin Magdalene Linz, die selbst Inhaberin zweier Apotheken in Hannover ist: „Bereits etwas vermeintlich Harmloses, wie etwa Zink oder Magnesium, kann eine Wechselwirkung auslösen. Das ist vielen Patienten nicht bewusst, da diese Präparate nicht als Arzneimittel gesehen werden.“
In diesem Bereich sollte viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung betrieben werden. Linz begrüßt es, dass die AOK Niedersachsen mit dem Landesapothekerverband eine Vereinbarung geschlossen hat, in der es um ein ergänzendes Vertragsangebot der Apotheke im Bereich der Hausarztzentrierten Versorgung zwischen AOK und Ärzten geht. Der Vertrag schreibt nämlich vor, dass ausgewählte Patienten bezüglich der AMTS von ihrem Hausarzt beraten werden. Bei Bedarf kann der Hausarzt diese Beratung auch direkt an die Apotheke übertragen. „Durch eine umfassende Medikationsanalyse können Folgeerkrankungen und im schlimmsten Fall sogar Krankenhausaufenthalte vermieden werden“, so die Kammerpräsidentin. Da die eine umfassende Analyse sehr zeitaufwändig für den Apotheker sei, könne sie für den Patienten keine kostenfreie Leistung darstellen.
Linz wünscht sich seitens der Politik daher eine Änderung im Sozialgesetzbuch (SGB V), so dass Apothekerverbände – wie es auch bei den Ärzten der Fall ist – direkt Verträge mit Krankenkassen hinsichtlich der Finanzierung solcher Analysen schließen können.
Das Athina-Zertifikat wird personengebunden an Apotheker erteilt. Voraussetzung für den Erwerb ist die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder Krankenhausapotheke mit einer durchschnittlichen Tätigkeitsumfang von zehn Arbeitsstunden pro Woche. Die Schulungsphase besteht aus zwei ganztägigen Athina-Seminaren, in der Medikations- und Interaktionsmanagement vorgestellt, Fallbeispiele bearbeitet sowie in der Apotheke umgesetzt werden. In der Praxisphase müssen mindestens drei Patientenfälle innerhalb von sechs Monaten nach der Schulungsphase bearbeitet und eingesendet werden.
Zudem wird die Teilnahme an mindestens drei Athina-Fallpräsentationen als Webinar verlangt. Die Apotheker werden in der Zeit von Tutoren betreut. Nach Erhalt des Zertifikats ist dieses 36 Monate gültig, wie auch das von Schneidereit. Als nächsten Schritt soll nun festgelegt werden, wo es in der Offizin aufgehängt wird. „Den Platz entscheide ich mit meinen Mitarbeitern“, sagt die frischgebackene Athina-Apothekerin.
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