Chronikerversorgung

„Apotheker haben mir wenig geholfen“ Katharina Lübke, 17.04.2015 14:48 Uhr

Berlin - 

Mit dem Direktvertrieb des Glukosemesssystems Freestyle Libre drängt Abbott die Apotheker in der Diabetiker-Versorgung zurück. Weder vertreiben noch beraten sollen die Pharmazeuten – das macht der Hersteller selbst und direkt. Apotheker befürchten eine grundlegende Änderung der Versorgungsstrukturen. Glaubt man Christian Purschke, Unternehmensberater und Diabetiker-Coach, ist das wohl nur der Anfang. Für Chroniker wäre es unproblematisch, ihre dauerhaft benötigten Medikamente nicht mehr aus Apotheken zu beziehen. Passende Ansprechpartner für Typ-1-Diabetiker seien sie nicht.

Purschke ist „seit 2013 Typ 1er“. Hauptberuflich berät er Unternehmen und Existenzgründer, daneben coacht er an Diabetes erkrankte Patienten, schreibt den eigenen Blog Diacoach und ist in Foren der „Szene“ unterwegs. „Eine chronische Erkrankung reißt einen erst einmal aus dem Berufsleben und dem Alltag heraus. Ärzte helfen medizinisch, Diabetes-Berater helfen bei Maßnahmen wie der Ernährung“, sagt Purschke. „Apotheker, muss ich ehrlich sagen, haben mir beim Diabetes eher wenig geholfen.“

Dennoch holt Purschke seine Utensilien nach wie vor aus der Apotheke nebenan. Brauche er Insulin oder Messstreifen, müsse er stets die Richtigkeit überprüfen: „Es fällt Apothekern schwer, das Richtige für mein Gerät und Bedürfnis heraus zu suchen. Jedes zweite Mal bekomme ich das falsche Insulin und muss darauf hinweisen.“

Auch das Wissen der Pharmazeuten zum Thema lasse zu wünschen übrig: Nach wie vor würden etwa Diätmarmeladen beigegeben. „Ich erwarte auch schon lange nicht mehr, dass sich die Angestellten in einer Apotheke mit Diabetes auskennen“, so Purschke. Berater in diabetologischen Praxen seien dagegen gut ausgebildet. Auch Spezialversender böten die komplette Palette zur Diabetes-Versorgung an. „Das Wissen zum Thema ist hier enorm.“ Man werde telefonisch, per Chat oder E-Mail sehr gut beraten, es gebe aber auch Ladengeschäfte. Die Spezialversorger würden teilweise sogar die Zuzahlungen übernehmen.

Purschke geht davon aus, dass die Diabetiker-Versorgung künftig weg von der Apotheke und hin zu Spezialversorgern geht. Viele Chroniker, gerade jüngere, wendeten sich immer öfter an solche Dienstleister: „Die bestellen Teststreifen und Insuline zum großen Teil online, die brauchen keine Apotheke.“ Gäbe es diese nicht mehr, sei dies für die Chronikerversorgung nicht dramatisch.

Dass die Apotheke ausgedient habe, sieht er aber nicht. „Ich bin froh, dass es Apotheken gibt, die die Versorgung sicherstellen, auch nachts und am Wochenende.“ Er wisse die Dienstleistungen zu schätzen: „Ob es um ein rezeptfreies Schmerzmittel oder ein natürliches Hustenmedikament geht, ich wurde hierzu immer gut beraten.“

Wenn es möglich wäre, würde er sein Insulin aber auch direkt vom Hersteller beziehen: „Der hat ein großes Interesse daran, seine Kunden zufrieden zu stellen.“ Was genau und welche Mengen benötigt würden, bespreche er ohnehin mit dem Arzt. Außerdem: Nicht nur der Hersteller, auch die Apotheke habe ja ein Interesse daran, zu verkaufen, „da hilft auch kein Berufsethos“, sagt Purschke.

Den Freestyle Libre hat Purschke seit November – er war Kunde der ersten Stunde. Interessenskonflikte hat er nach eigenen Angaben nicht. Mit der Betreuung durch Abbott ist er sehr zufrieden: „Die Mitarbeiter in der Hotline sind sehr bemüht und freundlich“. Dass Fachinformationen auf der Website fehlen, hält er nicht für problematisch. „Abbott hat seine Kunden als Versuchskaninchen eingespannt – wir zahlen für die Nutzung und liefern wichtige Daten zu Sicherheit, Haltbarkeit und Wirksamkeit. Das hat für uns Kunden auch Vorteile.“

In der Apotheke sieht Purschke das Gerät nicht: „Wenn Apotheken zum Thema Insulin falsch beraten, wie soll das mit dem Libre werden? Da bin ich etwas skeptisch, selbst wenn die Apotheken von Abbott geschult würden.“ Um das Gerät zu verstehen, müsse man die Krankheit verstehen, das könnten Diabetiker selbst am besten, an zweiter Stelle stünden Ärzte und Berater; „aber Apotheken sind da sehr weit hinten“.

Andere Blutzuckermesssysteme, die kontinuierlich die Blutglucose messen, seien auch nicht in Apotheken zu haben. Auch sei das Gerät kein Notfallprodukt, und der Preis sei so gestaltet, dass eine breite Bevölkerungsschicht sich das Gerät leisten könne. „Ich weiß nicht, wie sich der Preis verändern würde, wenn Apotheken dabei wären.“ Kritisch sieht Purschke aber den mittlerweile aktiven Ebay-Handel: „Das ist nicht Sinn der Sache.“

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