Kollege aus Serbien fasst Fuß in Koblenz

„Deutschland braucht wirklich sehr viele Apotheker und Apothekerinnen“

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Berlin -

Nikola Boskovic ist beinahe mit dem letzten Flieger vor dem Lockdown nach Deutschland gekommen. Der heute 30-Jährige hat in Belgrad Pharmazie studiert und später in Ost-Serbien als Filialleiter in einer Apotheke gearbeitet. Heute gibt er anderen Kolleg:innen aus fremden Ländern Tipps, wie man in Deutschland ankommt.

„Deutschland braucht wirklich sehr viele Apotheker und Apothekerinnen.“ Das habe er schon seit seiner Ankunft hierzulande deutlich gespürt. „Ich kenne viele Kolleg:innen, die gern hier arbeiten würden. Aber das Problem ist, dass die Bedingungen, überhaupt nach Deutschland zu kommen und hier arbeiten zu dürfen, wirklich nicht einfach sind.“ Der gebürtige Serbe kennt einige Kolleginnen und Kollegen, die drei oder gar vier Jahre gebraucht haben, bis der Aufenthalt beziehungsweise eine Arbeitserlaubnis bewilligt wurde.

Deutsches Fernsehen dank Satellit

Aufgewachsen ist Boskovic in einem kleinen Dorf kurz vor der rumänischen Grenze. Während der Schulzeit mochte er am liebsten Chemie. „Ich hatte einen wirklich guten Lehrer, der das Fach sehr interessant gestaltet hat.“ Da man aber in Serbien mit einem Chemiestudium nicht viel anfangen könne, habe die Pharmazie nahe gelegen. „Das erschien mir dem am ähnlichsten. Daher diese Wahl.“

Deutsch gesprochen hat er bereits seit seiner Kindheit. „Wir hatten eine Satellitenschüssel und konnten deutsches Fernsehen empfangen. Mein Bruder und ich haben beispielsweise sehr gern die Sendung mit der Maus geschaut und dadurch die Sprache ziemlich schnell gelernt. Ich kenne auch Schloss Einstein, Die Pfefferkörner, Lindenstraße und so weiter – damit bin ich aufgewachsen.“

Er studierte schließlich in Belgrad. Das Studium ist ein integriertes Masterstudium, berichtet er, und dauert fünf Jahre. Darauf folgt ein sechsmonatiges Praktikum und schließlich das Staatsexamen. Für eine geplante Doktorarbeit im Anschluss fehlte ihm ein Stipendium. „Das bedauerte ich sehr, aber es gab einfach zu viele Bewerbungen in diesem Jahr.“ Also hat er angefangen nach seiner Approbation in einer öffentlichen Apotheke in Ost-Serbien zu arbeiten. Nach einiger Zeit wurde er dort sogar Filialleiter.

In Serbien gibt es neben privaten auch staatliche Apotheken. In diesen sei die Bezahlung sehr gut, aber die Arbeitsverträge nur befristet. „Letztlich laufen diese meist aus“, berichtet Boskovic. „Die Apotheke, in der ich gearbeitet habe, war auch eine staatliche. Am Ende landen die allermeisten Apotheker:innen aber in einer privaten Apotheke mit schlechter Bezahlung und miesen Arbeitszeiten.“ In Serbien habe ihm die Perspektive gefehlt. So sei es auch Freunden und seinem Bruder ergangen.

Im Lockdown gab es nur Social Media

2019 war Boskovic das erste Mal in Deutschland – zu einem Vorstellungsgespräch in Oberbayern. Und er bekam eine Zusage: „Mein Arbeitgeber hat fast ein Jahr auf mich gewartet, bis alle Unterlagen und Erlaubnisse zusammen waren, dass ich kommen darf und bei ihm arbeiten kann.“ Boskovic ist anschließend mit einem der letzten Flieger vor dem Lockdown von Belgrad nach München geflogen. „Das war am 18. März – das vergesse ich nicht.“

Hier angekommen, fand er Ablenkung bei der Arbeit und beim Lernen für die Anerkennungsprüfung. „Es war schwer“, gibt er zu. „Ich hatte hier erstmal niemanden.“ Dann freundete er sich über Social Media mit anderen Apothekern und Apothekerinnen an. „Eine andere Möglichkeit, Leute kennenzulernen sah ich zu der Zeit nicht. Nach dem Lockdown war das natürlich ganz anders: Ich fand Freunde und bin das erste Mal in meinem Leben richtig verreist.“ Sein Bekanntenkreis ist inzwischen ordentlich gewachsen: „Wir haben eine recht große Community aufgebaut. Auf Facebook sind wir um die 3000 Kolleg:innen. Die meisten aus den ehemaligen jugoslawischen Ländern.“

Boskovic hat vor einiger Zeit beschlossen, auch auf Instagram über seinen Werdegang zu berichten und seine Erfahrungen, die er seit seiner Entscheidung nach Deutschland zu kommen, gesammelt hat, mit anderen zu teilen. „Es macht mir unfassbar viel Spaß, mein Wissen weiterzugeben, Tipps und Informationen auszutauschen.“

Aufenthalt verpflichtet

Der Apotheker musste zuerst seine serbische Approbation in Deutschland anerkennen lassen. „Das hat etwa ein Jahr gedauert – in dieser Zeit durfte ich nur unter Aufsicht arbeiten.“ Die Prüfung sei dem dritten Staatsexamen sehr ähnlich. Im März 2021 erhielt Boskovic schließlich seine Anerkennung. „Ich muss in Vollzeit arbeiten. Dazu bin ich wegen meinem Aufenthaltstitel verpflichtet. Aber das ist völlig ok für mich.“ Außerdem sei er zunächst für drei Jahre gesperrt, was die Neugründung einer Apotheke betrifft. „Tatsächlich habe ich vor längerer Zeit mal über eine Selbstständigkeit nachgedacht, aber momentan habe ich aufgrund der schwierigen Lage, den Apothekensektor betreffend, einige Zweifel, ob ich die Inhaberschaft irgendwann einmal wagen möchte.“

Umzug nach Koblenz

„Mein Bruder ist ein Jahr nach mir nach Deutschland gekommen. Er ist Krankenpfleger in Koblenz.“ Er habe wieder mehr Zeit mit ihm verbringen wollen und ist vor etwa einem Jahr dorthin gezogen. In der nahegelegenen Stadt Andernach arbeitet er seither in einer öffentlichen Apotheke. „Es ist ein kleines schönes Städtchen – ich fühle mich hier wirklich sehr wohl. Ich wurde gut aufgenommen und habe stets die Unterstützung vom Team. Dafür bin ich sehr dankbar.“

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