Montabaur

Altersheim: Apotheker lädt zum Ausflug

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Berlin -

Beim diesjährigen Deutschen Apothekerpreis, gestiftet von der Apothekenkooperation Avie, hat Apotheker Gregor Nelles, Inhaber der Mons-Tabor-Apotheke in Montabaur, den Sieg davongetragen. Überraschenderweise wurde der Apotheker nicht für eine pharmazeutische Leistung ausgezeichnet. Geehrt wurde sein soziales Engagement. Mit seinem Projekt „555 Schritte“ kümmert er sich um die körperliche und geistige Aktivierung älterer Menschen im Ignatius-Lötschert-Haus, einem Altenheim im Buchfinkenland.

Seit zehn Jahren ist Nelles im dazugehörigen Förderverein aktiv. Den unerwarteten Geldsegen in Gestalt des Preisgelds von 10.000 Euro spendet der Apotheker dem Förderverein, dessen zweiter Vorsitzender er ist. Auch Nelles hat sich gewundert, dass er den Hauptpreis davon getragen hat: „Das war wie bei der Oscarverleihung“, sagt er. Von Avie sei er nach Berlin zur Preisverleihung gebeten worden: „Mit dem Sieg habe ich am wenigsten gerechnet.“

Aber jetzt freut er sich umso mehr, dass auch sein soziales Engagement auf diese Weise Anerkennung findet: „Denn Gesundheit und Soziales hängen doch zusammen“, begründet Nelles seine Motivation. „Das psychische Wohlbefinden entscheidet wesentlich mit über die Gesundheit. Apotheker machen doch nicht nur Arzneimittel, sie fühlen sich für die Menschen verantwortlich.“

„Gemeinsam ist man nicht mehr einsam, ausreichend Bewegung mit sozialen Kontakten erhöht die Lebensfreude. Das Ziel ist, durch Bewegung auch die Seele zu bewegen“, hatte der Apotheker in seine Bewerbung für den Deutschen Apothekerpreis geschrieben. Das Ignatius-Lötschert-Haus ist ein Seniorenheim bei Horbach – allerdings mit dem Nachteil einer abgelegenen Lage – im sogenannten Buchfinkenland.

Der Vorsitzende des Fördervereins des IGL, Ulli Schmidt, entwickelte mit Nelles das Konzept Bewegung und Soziales. In regelmäßigen Abständen können die Heimbewohner an Ausflügen gemeinsam mit Dorfbewohnern teilnehmen. Dabei ist eines Pflicht: Die Heimbewohner und die Dorfbewohner sollen gemeinsame 555 Schritte gehen und dabei „zueinander finden und die Einsamkeit des Alters in Geselligkeit überwinden“, so Nelles. Besucht werden Konzerte, Kirchen, Tierparks und andere Sehenswürdigkeiten: „Für viele ist das zum Highlight des Monats geworden.“

550 Schritte entsprechen knappe 500 Meter. Das ist für manche Heimbewohner eine lange Strecke. Viele Bewohner sind über 80 Jahre alt und teilweise auf Rollatoren angewiesen. Entwickelt wurde das Projekt über drei Jahre seit 2014. Die Organisation ist auf die Mitglieder des Fördervereins IGL, des Sportvereins Horbach und des Westerwaldvereins verteilt.

Je nach Teilnehmerzahl müssen unterschiedlich viele freiwillige Betreuer an den Ausflügen teilnehmen. Mit Hilfe von Spenden und Sponsoren werden die finanziellen Mittel aufgebracht: pro Veranstaltung etwa 150 Euro bis 400 Euro. Es gibt auch einen Fahrdienst und im Anschluss ein gemeinsames Abschlusstreffen.

Die Initiative hat großen Zulauf. Die Teilnehmerzahl ist von Veranstaltung zu Veranstaltung stets gestiegen – von anfänglich 20 auf jetzt 60 Personen. „Die Ausflüge haben sich zum Treffpunkt für alte Bekannte entwickelt, die sonst keine Möglichkeit haben, sich zu besuchen“, so Nelles. Inzwischen können auch Bewohner eines weiteren Altenheimes teilnehmen: „Die Lebensqualität in der ländlichen Region Westerwald wurde erhöht und die Einsamkeit im Alter durch Gemeinsamkeit mit kulturellen Veranstaltungen ersetzt. Das Glück und die Zufriedenheit der Teilnehmer spornt uns an und hat zur Weiterentwicklung beigetragen.“

Das soziale Engagement von Nelles reicht weit über das „555 Schritte“ Projekt hinaus. Es hat schon als Clown-Doktor im Westerwald kranke Kinder besucht, eine Tauschbörse für Flüchtlinge und Asylanten organisiert und das Forum für soziale Gerechtigkeit initiiert. Auch in seiner Apotheke lebt er das: Über die „Westerwälder Tafel“ erhalten Bedürftige Gutscheine, mit denen sie in der Mons-Tabor-Apotheke OTC-Arzneimittel zum Einkaufspreis kaufen können.

Im letzten Jahr suchte Avie als Preisträger beispielhafte Projekte und Engagements, die die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheke als die Instanz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung in Deutschland herausstellen. Der Schwerpunkt lag auf dem Thema AMTS. Es gab zwei Sieger: Dr. Ruth Britz-Kirstgen von der Rathaus-Apotheke Blankenheim in Blankenheim-Ahr erhielt den Preis für ihr Projekt „Sturz ist kein Pflegerisiko – Vermeidung schwerer arzneimittelbezogener Nebenwirkungen beim geriatrischen Patienten“. Stefan Göbel von der Brücken Apotheke erhielt die Auszeichnung für das Projekt „Etablierung des Medikationsmanagements – Auflösung eines Interessens- und Zielkonflikts zwischen Ärzten, Apothekern, Krankenkassen und Patienten“.

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