Destillation

Der Geist der Himbeere Franziska Gerhardt, 17.08.2014 10:26 Uhr

Berlin - 

Auf eine mehr als 300-jährige Apothekertradition blickt die Familie Melm zurück. Heute führt Henner Wachsmuth-Melm die Melmsche Hirsch Apotheke in Oerlinghausen. In den angrenzenden Räumen der Offizin hütet er eine Destillationsanlage aus Kupfer und Edelstahl – dort destilliert er Himbeergeist, Orangenlikör und Magenbitter.

Eine Destillationsanlage stand schon seit 1831 im Labor der Familienapotheke. Sie diente zur Herstellung von destilliertem Wasser. Mit speziellen Einsätzen konnten darin auch Defekturen hergestellt werden. „Die Anlage verführte natürlich dazu, auch Anderes herzustellen“, erzählt Wachsmuth-Melm.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Hirsch-Apotheke das Spasmolytikum „Extractum Belladonnae“ hergestellt. Dafür sammelten Helfer in den Menkhauser Bergen große Mengen Tollkirschenblätter. Diese wurden mit einem Spiritusgemisch extrahiert und in einem Vakuumdestillator bei niedrigen Temperaturen zu einem Trockenextrakt eingedickt. Der Hyoszyamingehalt wurde auf 1,48 bis 1,53 Prozent eingestellt.

Das alte Gerät wird heute nicht mehr benutzt, steht aber noch in den Räumen der Apotheke. Beheizt wurde es mit Holz. Heute ist es vom Zoll verplombt – Wachsmuth-Melm nutzt seit rund 20 Jahren eine andere Anlage. Die durfte er aber nur kaufen, weil es die alte Destillationsanlage gab. Nur so bekommt man die Genehmigung für das Brennen, die auf ein paar Wochen im Jahr begrenzt ist. Auch Gärprozesse darf der Apotheker nicht durch die Anlage laufen lassen und zudem keinen Alkohol gewinnen.

Wachsmuth-Melm hat das ungewöhnliche Hobby der Destillation von seinem Vater übernommen. Dieser war ebenfalls Apotheker, „aber auch Tüftler“, erzählt der Sohn. Unter dem Namen „Dr. Melm“ werden heute Flaschen mit Himbeergeist und Magenbitter vertrieben. Auch ein Edelbitter namens „der Melmer“ wird hergestellt. Er besteht aus 28 Kräutern.

Dabei experimentiert der Apotheker gerne herum: Einmal kaufte er Weinbrand, legte Orangenschalen darin ein und destillierte die Mischung dann. Der Orangenlikör wurde auf Flaschen gezogen, die seine Mutter von Hand bemalte, und Kunden als Geschenk mitgegeben. Manchmal wird der Geschmack auch mit einer Vanilleschote variiert.

Die Herstellung des Himbeergeist ist aufwendig: Aus 40 und 50 Kilogramm Früchten gewinnt Wachsmuth-Melm nur 70 bis 80 Halbliter-Flaschen. Die Zutaten: Himbeeren, Wasser und Spiritus, wie es das Gesetz festlegt. Zucker darf in den Geist nicht hinein, sonst wäre es ein Likör. Das fertige Produkt muss einen Alkoholgehalt von mindestens 37,5 Prozent haben, auch das ist vorgeschrieben. Sein Himbeergeist habe am Ende meistens um die 42 Prozent*, erzählt Wachsmuth-Melm.

* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hatte es geheißen, der Himbeergeist habe 42 Promille. Richtig ist 42 Prozent. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.