Man muss auch mal Glück haben: Weil der zuständige Ermittlungsbeamte derzeit auf Hochzeitsreise ist, verzögert sich die Beweisaufnahme im Fall der 13 saarländischen Beschuldigten Ärzte, Sanitätshaus-Geschäftsführer und -Gesellschafter sowie eines Apotheker aus Merchweiler. Im Mai hatten die Fahnder des Dezernats für Wirtschafts- und Vermögenskriminalität beim Landespolizeipräsidium Saarbrücken eine Großrazzia durchgeführt. Der entstandene Schaden wird mit mindestens 45.000 Euro beziffert.
Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann sagt: „Der zuständige Ermittlungsbeamte ist bis Anfang August im Honeymoon.“ Da gratuliert man herzlich. Derzeit bestehe, so Rebmann, Personalmangel, sodass sich die Ermittlungen verzögern würden. Mitte Mai wurden umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen bei 13 Beschuldigten in den Kreisen St. Wendel und Neunkirchen durchgeführt und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt.
Für die Beschuldigten ist das eine gute Nachricht, denn sie bekommen so unverhofft eine kleine Atempause. Gegen die 13 wird unter dem Gesichtspunkt des Betruges und der Untreue ermittelt. Der Fall ist besonders dreist: Die beschuldigten Mediziner sollen in ihren Praxisräumen eigene Versorgungsdepots mit Hilfsmitteln eingerichtet haben. Sie wurden regelmäßig von den Sanitätshäusern und einer Apotheke beliefert. Der sicherte über seine Anwältin „selbstverständlich eine Kooperation mit den ermittelnden Stellen“ zu, um „entsprechend zeitnah zum Abschluss der Ermittlungen beizutragen.“
So gingen die Beschuldigten vor: Der Arzt verordnete seinem gesetzlich versicherten Patienten per Rezept zum Beispiel eine Bandage und lieferte sie sogleich im Auftrag seines „Kooperationspartners“ aus. Dieser rechnete anschließend mit der Krankenkasse ab.
Eine auf den ersten Blick serviceorientierte Vorgehensweise, nur leider ist sie gesetzeswidrig. Denn richtig praktisch und gewinnbringend war diese Variante der Patientenversorgung nur für das beteiligte Gesundheitspersonal. Andere medizinische Versorger wurden auf diese Weise ausgeschaltet, den Patienten ihr Recht genommen, sich den Lieferanten für ihre Hilfsmittel selbst auszusuchen. Das steht ihnen laut Gesetz zu.
Die Beschuldigten stammen aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und München, darunter sind Geschäftsführer und Gesellschafter eines Firmengeflechts. Es besteht der Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Betruges. Zudem werden Hinweise auf mögliche Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen überprüft.
Die Ermittlungen waren nach einer Anzeige der KKH Allianz ins Rollen gekommen. Oberstaatsanwalt Rebmann: „Aufgrund dieser Anzeige besteht der Tatverdacht, dass die Beschuldigten als Ärzte beziehungsweise Inhaber von Hilfsmittel erbringenden Unternehmen in nicht rechtsverjährter Zeit seit 2008 bis jedenfalls Mai 2013, mutmaßlich bis heute, in bewusster Zuwiderhandlung in einer noch nicht näher bekannten Zahl von Fällen Hilfsmittel über bei den beteiligten Arztpraxen eingerichtete Depots an gesetzlich versicherte Patienten abgegeben haben, ohne dass in jedem Fall eine Notfallversorgung vorlag.“
Derzeit kann die Dauer der Ermittlungen nicht abgeschätzt werden: „Angesichts des langen Tatzeitraums und der Verflechtung der beteiligten Unternehmen untereinander besteht der Verdacht, dass sich die Beschuldigten als Gruppe in der Absicht zusammengeschlossen haben, sich durch fortgesetzte Begehung im Einzelnen noch unbestimmter, jedoch gleichgelagerter Betrugstaten eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu erschließen. Der dadurch entstandene, für den Zeitraum 2008 bis Mai 2013 bislang bekannte Schaden beträgt 45.232,13 Euro.“
Rebmann weiter: „Dies ist jeweils strafbar als banden- und gewerbsmäßiger Betrug. Sofern die Ermittlungen ergeben sollten, dass seit dem 4. Juni 2016 Zahlungen zwischen den Beteiligten zwecks Aufrechterhaltung des beschriebenen Systems geflossen sind, um andere medizinische Versorger zu benachteiligen, wären zusätzlich die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen erfüllt.“
Auch hinsichtlich der Schadensumme ist nicht auszuschließen, dass sie sich im Zuge der Ermittlungen noch erhöhen wird. Dem ermittelnden Beamten bleibt ein schöner, erholsamer Honeymoon zu wünschen. Bei seiner Rückkehr wartet viel Arbeit auf ihn.
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