Nachtdienstgedanken

Der alljährliche Kalenderwahn – oder nicht?

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Berlin -

Es ist jedes Jahr das Gleiche – sehr zum Leidwesen von Apothekern und PTA: Bereits im Herbst fragen die ersten Kunden nach Kalendern fürs nächste Jahr, schließlich stehen schon die ersten Termine an, die ganz dringend eingetragen werden müssen. In diesem Jahr scheint es jedoch ruhiger um die Kalender zu sein als sonst. Sarah Sonntag versucht sie daher im Notdienst loszuwerden. Ihr Erfolg ist jedoch eher mäßig – viele Menschen haben bisher kaum Termine wegen Corona und keiner weiß, wie es 2021 weitergeht. Braucht man überhaupt einen Kalender?

Den schmalen Langen, den Rechteckigen oder doch lieber den Familien-Kalender mit mehreren Spalten? Jedes Jahr strömen viele Kunden in die Apotheke, um sich mit Kalendern fürs kommende Jahr einzudecken. „Ich komme heute nur für den Kalender.“ – ein Klassiker. Häufig auch mit dem Zusatz: „Ich nehme gleich drei, damit meine Nachbarn auch einen haben.“ Klar, Kalender sind schließlich in jedem Jahr Mangelware, besser mal einen mehr mitnehmen, bevor es nachher keine mehr gibt. „Viele Kunden riefen in den vergangenen Jahren sogar an, um sich welche zurücklegen zu lassen“, erinnert sich Sarah kopfschüttelnd.

Doch in diesem ohnehin etwas anderen Jahr scheint auch der Kalenderwahn nicht so ausgeprägt zu sein. „Bisher hat kaum einer von sich aus nachgefragt“, meint Sarah. Im Gegenteil – viele meinten sogar: „Ach, ist es schon soweit?“ Dabei hatte die Apothekerin in diesem Jahr extra drei besonders schöne Varianten drucken lassen – selbstverständlich in verschiedenen Formaten, damit für jeden Kunden etwas dabei ist.

Mit den Kalendern ist es scheinbar wie mit den Erkältungskunden in diesem Jahr: Die Nachfragen lassen auf sich warten. Eigentlich waren Sarah und ihr Team schon im Herbst genervt, weil sie andauernd erklären mussten, dass die Kalender noch nicht da sind. Sie hatten sich sogar einen Spaß daraus gemacht, wann der erste Kunde nach einem Kalender fragt. „Letztes Jahr kam der erste schon im Juli“, lacht Sarah. „Da weiß ich noch nicht mal was ich im Dezember mache!“

Nun sind sie da, die Kalender: Hübsch und bunt, groß und klein, lang und quadratisch, für die Wand und die Handtasche. Doch keiner fragt danach. Hinter dem HV stehen drei große Kartons, Sarah hat die Kalender in diesem Jahr sogar in der Offizin ausgelegt – darauf hatte sie in den vergangenen Jahren mit Absicht verzichtet.

Nur auf Nachfrage nehmen dann doch einige Kunden einen Kalender mit. Auch im Notdienst wird Sarah sie nur spärlich los. „Ach, ich habe sowieso noch keine Termine im neuen Jahr“, hatte eine Stammkundin gemeint. „Vielleicht geht es ja so weiter, wie in diesem Jahr und wir können sowieso nichts unternehmen. Wozu dann einen Kalender?“ Erst jetzt wird auch Sarah bewusst, dass sie nicht mal weiß, wo ihr Taschenkalender von diesem Jahr hingekommen ist, den sie sich extra bestellt hatte, weil er so schön war und perfekt in die Handtasche passte. „Alles, was ich im Frühjahr eingetragen hatte, musste ich wegen der Pandemie wieder rausstreichen“, meint Sarah zu Max. „Irgendwann habe ich es dann einfach sein gelassen und ihn aus der Tasche verbannt. Schließlich musste da nun Platz für Desinfektionsmittel und Maske sein.“

„Aber braucht man wegen Corona wirklich keinen Kalender?“, fragt Max etwas bedrückt. „Nur weil man nicht viel unternehmen kann, gibt es doch trotzdem schöne Dinge, die man sich notieren möchte, oder?“ Sarah überlegt kurz und stimmt ihm zu: Die Geburtstage der Liebsten, der Anruf einer weit entfernten Freundin, der Video-Call mit dem Freundeskreis, der Jahrestag mit dem Partner oder ein anderes Jubiläum. „All das sind doch alles schöne Dinge, die man nachhalten kann – auch in Pandemiezeiten“, findet Max. Sarah findet die Idee schön und geht noch einen Schritt weiter: „Vielleicht nehme ich meinen Kalender für 2021 nicht nur um mögliche Termine im Voraus einzutragen, sondern auch um mir im Nachgang positive Dinge des Tages zu notieren und mich am Ende des Jahres daran erfreuen zu können, dass es ein gutes Jahr war“, meint sie und lächelt.

 

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