Weiber-Demo vor Bonus-Apotheke Silvia Meixner, 10.06.2017 08:01 Uhr
Tumultartige Szenen vor der Bären-Apotheke: Wütende Frauen verabredeten sich via Facebook zur Spontan-Demo und forderten auf Schildern ihre Rechte ein. Eine Werkzeugbox auf Rezept – wie frauenfeindlich. „Nieder mit dem Werkzeugkasten!“, forderten die Protestlerinnen. Sie forderten „Frauen-Goodies“ und „Peeling“.
Apotheker W. hatte seinen Kunden als Gegenleistung für die Abgabe eines Rezeptes eine Werkzeugbox versprochen. Nun hatte er alle Hände voll zu tun, die aufgeregten Kundinnen vom Verein Weiberwirtschaft e.V. zu beschwichtigen. Er beteuerte seine Unschuld und versprach, bei der nächsten Aktion auch an die weibliche Klientel zu denken. Um seinen Willen zu unterstreichen und pünktlich in die Mittagspause gehen zu können, machte er vor Ort eine spontane Abstimmung. Dabei kam heraus: 75 Prozent der Demonstrantinnen wünschen sich ein Gratis-Wohlfühl-Peeling, 12 Prozent bevorzugen eine Augencreme, 7 Prozent träumen von einem Minz-Badezusatz (plus Schwamm!). Der Rest ist wie immer unentschieden.
Den Apotheker gibt es wirklich, W. steht für Wittig. Wolfgang der Vorname. Sein im Ratinger Wochenblatt beworbener Rx-Bonus in Gestalt des genannten Werkzeugkoffers (leer) verstößt nicht nur gegen das im August 2013 verschärfte Heilmittelwerbegesetz (HWG), sondern auch gegen seine eigene Facebook-Kampagne aus dem Januar pro Preisbindung. Damals hatte er noch für ein Tempolimit geworben, jetzt wurde er selbst mit 60 in der Fußgängerzone erwischt. Einen guten Anwalt wird er brauchen, sein bisheriger Rechtsvertreter Dr. Morton Douglas will nicht, der ist lieber weiter für die Kammer aktiv.
Und überhaupt: Wenn schon Geschenk auf Rezept, dann bitte nicht mit Baumarkt-Charme! Auf ein Utensil wie die Werkzeugbox wäre Nicole Uibo nie gekommen. Südtirols schönste Apothekerin lebt im Dorf Mühlbach bei Brixen. Als Kind wollte sie Popstar werden, aber damals gab es Revoice of Pharmacy noch nicht, und so sattelte sie um.
Auch in Bayern denkt man um: Gabriela Aures verkauft gerade Hab, Gut und Apotheke in Gaimersheim und zieht Richtung Norden. Nahe Berlin lässt sie sich nieder und wird mit ihrem Unternehmen „Budenzauber“ tatkräftige Unterstützung anbieten. In Zeiten von Fachkräftemangel ist das eine krisensichere Geschäftsidee.
Doch nicht nur die Welt der Pharmazie fasziniert durch Frauenpower, die gibt es auch auf der anderen Seite des HV-Tischs. Und wenn man Pech hat, ist das Gegenüber als Bloggerin aktiv. Weil eine Apothekenmitarbeiterin eine Zweijährige zur Ordnung rief, die nach einer Dosencreme gegrapscht hatte, gab es auf „Wunderweib“ einen bösen Eintrag. Immer dran denken: Höflich bleiben! Hilft übrigens auch bei Kunden, die sich vor Ort beraten lassen, um dann im Internet zu bestellen. Fünf Tipps, wie man in solchen Fällen nicht handgreiflich wird. Und noch ein paar Ratschläge, was man nie sagen sollte.
Dass in einem reichen Land wie Deutschland die gute alte Bepanthencreme ausgehen kann, glaubt man erst, wenn man es erlebt. Die Augen- und Nasensalbe ist wegen „produktionstechnischer“ Probleme derzeit nur eingeschränkt lieferfähig. Der neue Salbenrührer will nicht so, wie der Milliardenkonzern will. Gut, dann kaufen wir eben Autan, auch ein Klassiker. Und vorrätig, zumindest bei den Großen. Bei Lidl gibt es das Spray für 3,95 Euro. Dumping brutal wie im Vorjahr. Großhändler bieten einen regulären AEP von 7,02 Euro.
Wenn apothekenexklusive Marken also abwandern, wird es Zeit für Nachschub. Frischblut durch OTC-Switch, lautete die Devise bei einer Expertenkonferenz des BAH. Neue Wirkstoffe in der Sichtwahl braucht das Land! Aber von selbst kommt der Erfolg auch nicht: Erstens müssen die Apotheker mitspielen. Und zweitens muss der Bundesgesundheitsminister seinen Segen geben. Weil der das neue Deslorano nicht freigeben will, verklagt Hexal die Bundesrepublik, also uns alle. Das Bundesverwaltungsgericht muss sich der Sache nun annehmen. Das Stichwort lautet Arzneimittelsicherheit.
Die stand zuletzt bei Harvoni auf der Probe. Einem aufmerksamen Patienten war aufgefallen, dass seine Tabletten plötzlich weiß statt orange waren. In Amerika wäre er jetzt ein reicher Mann, die Europäer sind da noch härter im Nehmen (und entspannter, wenn es um ihre Rechte geht). Am Ende stellte sich heraus, dass die Fälschung eigentlich das Original war, nur ohne Farbzusatz weil eigentlich für Entwicklungsländer gedacht. Ein Nachspiel wird die Sache trotzdem haben, denn nicht nur der Hersteller Gilead wird wissen wollen, bei wem der Großhandel da quer gekauft hatte.
Noch einmal zurück zum Minister. Dessen Staatssekretär Lutz Stroppe ist der Meinung, dass die Krankenkassen endlich auf seinen Chef hören sollen: Ab sofort gelte bei der Versorgung von Krebspatienten wieder die freie Apothekenwahl. Kein Raum für Retaxationen! Dumm nur, dass das die Kassen so gar nicht interessiert. Die Dummen sind die Apotheker – die übrigens gerade so viel Ärger wie nie mit den neuen AOK-Rabattverträgen haben.
Auch in Hüffenhardt liegen die Nerven blank. DocMorris ist sauer, weil die Noweda mehrere Apotheker in ihrem Kampf gegen den Arzneimittelautomaten unterstützt. Beim zweiten Gerichtstermin war sogar von Rechtsmissbrauch die Rede. Bislang wusste man gar nicht, dass es dieses Wort im Sprachgebrauch der Versandapotheke gibt. Zur Rose feiert das Wachstum von DocMorris durch den Zukauf einer kleineren Versandapotheke. Die Zahlen sind, wie Schweizer sagen würden, „mega“! Da lassen wir doch gleich Aktien reservieren – mindestens 200 Millionen Schweizer Franken sollen ja schließlich zusammenkommen.
Dass einen auch am Kapitalmarkt das renitente Volk der Apotheker einholen kann, müssen die Finanzinvestoren Bain und Cinven gerade erfahren. Sie hatten sich die Stada als Übernahmeobjekt ausgeguckt, doch die Aktionäre wollen das 1A-Angebot einfach nicht annehmen. Bis zum 22. Juni bekommen sie nun Zeit, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Und wenn statt 75 nur 67,5 Prozent zusammenkommen, dann ist es auch gut.
Eine Entscheidung müssen auch die Aktionäre der ABDA treffen. Noch einmal 4,1 Prozent mehr für Personal, Palast und PKW? Müsste man mal beim Meeting besprechen! Die einen halten sich mit Eis und Keksen wach, die anderen brauchen kleine Stromstöße. Die Armbänder wären perfekte Geschenke „bei Abgabe eines Rezeptes“. Verboten gut.