Datum, Name, Facharztrichtung, Telefonnummer: „Was wollen Sie denn noch?!“ Anja Alchemilla, 11.03.2018 07:59 Uhr
Anja Alchemilla verzieht das Gesicht – die Warteschleife in der Telefonleitung startet von Neuem, und das schräge und blecherne „Für Elise“ bringt sie beinahe dazu, nach fast zehn Minuten aufzulegen. Warum ausgerechnet Beethoven? Hätte die Klinik nicht irgend einen anderen Komponisten strapazieren können? In einem Krankenhaus ein fehlerhaftes Rezept zu reklamieren ist jedes Mal nervenaufreibend und anstrengend.
Zuerst geht niemand ans Telefon, dann fühlt sich keiner zuständig oder der betreffende Arzt, der das Rezept ausgestellt hat, ist nicht verfügbar. Dieses Mal ist es ausnahmsweise einmal kein fehlender Arztname und auch keine unlesbare Verordnung – in den Händen hält Anja ein Entlassrezept. Seitdem es diese Art der Rezepte gibt, hat sie noch keines entgegengenommen, das nicht fehlerhaft gewesen wäre. Und wie sollte es auch anders sein? Die meisten Ärzte tun sich ja ohnehin schwer damit, die Rezepte formal korrekt auszustellen, wenn es gesetzliche Änderungen gegeben hat.
Sie erinnert sich genervt an die Zeit, als es verboten wurde Diagnostika und Hilfsmittel auf demselben Formular zu verschreiben. In den ersten Wochen hing die halbe Apotheke am Telefon und der Botenfahrer musste Überstunden schieben, um die fehlerhaften Rezepte zu den Ärzten zurückzubringen und die korrekt ausgestellten abzuholen. Am beliebtesten war es in dieser Zeit, die Pen-Nadeln und Teststreifen auf dasselbe Rezept zu schreiben – das kommt sogar heute noch vereinzelt vor, aber es hält sich zum Glück inzwischen in Grenzen.
Die Dosierungsangabe bei Rezepturen zu vergessen, zählt dagegen auch heute noch zum guten Ton. Bei Kliniken kommt es auch immer wieder vor, dass bei Antibiotika „aut-idem“ Kreuze gesetzt werden, selbst wenn gar keine Firma dazu verordnet wurde. Dann weiß man wieder genau: Der Arzt weiß gar nicht, was das Kreuz bedeutet und denkt er tut uns damit einen Gefallen, weil er uns „erlaubt“ die Firma selbst herauszusuchen. Ruft man dann an um den Irrtum aufzuklären, ist er völlig irritiert, denn das habe er genau so gelernt vor nicht allzu langer Zeit. Das Problem sitzt also wohl noch bei den Universitäten: „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“. Und endlich jemand in der Leitung!
Anja Alchemilla erklärt, dass sie ein Problem mit einem Entlassrezept hat und wird auch gleich weitergeleitet – Wunder gibt es immer wieder! Der Arzt, der das Rezept ausgestellt hat, ist völlig fertig. Wieso gibt es da jetzt ein Problem? Die halbe Abteilung habe doch mitgeholfen, dass da keine Fehler passieren! Es war nämlich seine erste Verschreibung dieser Art: „Wir haben extra darauf geachtet, dass der Status mit 5 angegeben ist. Das Datum stimmt auch, mein Name und die Facharztrichtung ist drauf und die Telefonnummer der Klinik im Stempel. Alles ist nur mit N1 verordnet – was wollen Sie denn noch?“
„Nun… Auf einem Rezeptformular für die gesetzliche Krankenkasse dürfen nur drei Medikamente verordnet werden, sonst können wir es nicht korrekt bedrucken. Hier stehen acht.“ Der Arzt versichert, dass die geänderten Rezepte am gleichen Tag per Post rausgehen.
Manchmal hat Anja das untrügliche Gefühl, dass die Formalien extra so kompliziert gestaltet wurden, dass die Klinikärzte die damit ohnehin schon auf Kriegsfuß stehen so viele Fehler machen wie möglich. Irgendeinen davon wird die Apotheke dann schon übersehen, und die Krankenkasse hat die Möglichkeit eine Retax auszugeben. Aber das ist wahrscheinlich nur eine wilde Verschwörungstheorie, oder?