Das Wunder von Remscheid Silvia Meixner, 03.08.2018 10:12 Uhr
Apotheker Helmut Klee wollte in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Monatelang suchte er nach einem Nachfolger für seine Apotheke am Henkelshof. Ein Interessent verunglückte tödlich mit dem Motorrad. Die Suche begann erneut. Es sah nicht gut aus, Klee begann, sich von seinen Stammkunden zu verabschieden. Dann geschah das Wunder von Remscheid.
Nicht, dass Klee gebetet hätte. Aber gehofft hat er. Denn 36 Jahre lang stand der heute 67-Jährige in seiner Apotheke. Jeden Tag gern, was 95 Prozent Stammkunden brachte. Denen teilte er in den vergangenen Monaten schriftlich mit, dass der 30. Juni der letzte Tag als Apotheker sein würde. Die Menschen waren überrascht, entsetzt, traurig. Einige weinten. „Obwohl ich weiß, dass ich mit dem Ruhestand nichts falsch mache, hatte ich ein schlechtes Gewissen“, sagt Klee. Weil es sich ein bisschen so anfühlte, als würde er „seine“ Patienten im Stich lassen.
„Ich habe immer gesagt, wenn ein Wunder passiert, dann geht es mit der Apotheke weiter“, sagt er. Er suchte erst in Wuppertal nach einem Nachfolger, dann in Solingen. Erfolglos. Er kündigte schließlich schweren Herzens den Mietvertrag. Das wiederum fand der Vermieter bedauerlich und schrieb heimlich diverse Apotheker an. Ob sie nicht eine gut gehende Apotheke übernehmen wollten? Eine ungewöhnliche Aktion, aber sie brachte Erfolg.
Denn der Brief landete bei Jürgen Trzaska, er betreibt in Haan die Markt-Apotheke und als Filiale die Eschen-Apotheke in Wuppertal. Schon beim ersten Treffen war klar: Das könnte klappen. „Der Kollege und ich haben eine ähnliche Berufsauffassung. Wichtig ist für uns Beratung, Kundennähe und dass man Ansprechpartner ist“, sagt Klee. Klingt einfach, ist aber häufig genau das Rezept, das Kunden wiederkommen lässt.
Apotheker Klee ist mit „seinem“ Stadtviertel gewachsen: „Als ich 1982 die Apotheke übernahm, war sie vier Jahre alt“, erzählt er. Und das Stadtviertel war ebenfalls jung. „Das Wohngebiet Am Henkelshof entstand ab den 70er-Jahren.“ Er kennt viele seiner Kunden mit Namen, weiß, wer welche kleinen Wehwehchen und wer richtige Krankheiten hat. Und was die Kinder und Enkelkinder so machen.
Derzeit werden Am Henkelshof in Remscheid rund hundert neue Wohneinheiten gebaut. Neues Potenzial für die Apotheke. Bis zum Ende des Jahres will Apotheker Klee noch mitarbeiten, um seinen Nachfolger einzuarbeiten. Dann aber: Ruhestand. „Wir haben ein Enkelkind in Amerika, das wir viel zu selten sehen.“ Außerdem fahren seine Frau und er gerne Rad und zu Hause stapeln sich die Bücher, die er immer schon lesen wollte.
Alle sind mit der Entwicklung glücklich. „Auf diese Weise kann ich meinen Beruf langsam ausschleichen“, sagt er lächelnd. Ein Abschied von jetzt auf gleich hätte ihn wahrscheinlich, nach fast 40 Jahren in der Offizin, geschockt. Das schönste Kompliment kam von einer Kundin, die Mitte 80 ist. „Ich werde hüpfend nach Hause den Berg hochlaufen“, rief sie, als sie davon erfuhr, dass ihre Lieblingsapotheke nun doch geöffnet bleibt.