„Das Digitale hat Schwachstellen – und die muss man nutzen“ APOTHEKE ADHOC, 08.02.2019 14:00 Uhr
„Viele glauben, dass das Digitale das Analoge auslöschen wird“, sagt Florian Kaps. „Ich bin der Meinung, dass das Digitale die größte Wiederentdeckung des Analogen ist.“ Und das hat er selbst bewiesen: Mit seinem Unternehmen „The Impossible Project“ hat er entgegen aller Wetten den guten alten Polaroid-Film vor dem Untergang gerettet. Auf der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC erklärt Kaps, wie man das Analoge ins digitale Zeitalter rettet und was das für die Apotheken bedeutet. Sichern Sie sich hier noch ein Ticket.
Die Zukunft ist digital, daran zweifelt kaum jemand. Doch was wird aus all den lieb gewonnenen Relikten der Vergangenheit? Die verschwinden mit der Zeit, befürchten die Einen und hoffen die Anderen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Schaut man sich auf Facebook und Instagram um, wirken viele Trends auf den ersten Blick überraschend anachronistisch: Da präsentieren junge Leute ihre Vinyl-Sammlungen und trinken dazu Craft-Beer, das aus der Brauerei die Straße runter kommt. Kaps ist sicher: Das ist nicht nur Retro, sondern die Wiederentdeckung der menschlichen Sinneswelten im digitalen Zeitalter.
Mit Sinnen kennt Kaps sich aus. Als studierter Biologe hat er vier Jahre die Augenmuskeln einer südamerikanischen Jagdspinne erforscht. Danach verschlug es ihn jedoch zu einem österreichischen Unternehmen für digitale Fotografie – wo er seine Liebe zu analogen Fotos entdeckte. „Ich war auf der Suche nach etwas möglichst Analogem, dem Anti-Digitalen sozusagen“, erzählt er. Eine alte Polaroidkamera vom Flohmarkt brachte 2003 die Wende. Doch zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass selbst die Produzenten von Polaroidfilmen nicht an deren Zukunft glaubten – warum sollten sie auch, schließlich war der Siegeszug digitaler Fotografie schon längst im Gange.
Kaps wollte das nicht akzeptieren. Deshalb stieg er mit einem Partner in das Geschäft mit Polaroidfilmen ein. Das Geschäft wuchs kontinuierlich, bis der Schock kam: Polaroid kündigte an, die Produktion der legendären Filme einzustellen, 2008 sollte der letzte Herstellungsstandort im niederländischen Enschede schließen. Auch das wollte Kaps nicht akzeptieren. Er tat sich mit dem Produktionsleiter der Anlage zusammen und schaffte, was er selbst als „eigentlich unmöglich“ bezeichnet: In Eigenregie rettete er die letzte Polaroid-Fabrik. Unter dem Firmennamen „The Impossible Project“ vertrieb er ab 2010 seine eigenen Polaroidfilme. Letztes Jahr hat das von ihm gegründete Unternehmen, aus dem er sich 2013 zurückgezogen hat, drei Millionen Packungen verkauft – „interessanterweise vor allem an eine junge, digitale Zielgruppe“.
Auch wenn es auf manchen vielleicht so wirken mag: Der Digitalisierung entgegenstellen will er sich nicht, erklärt Kaps. „Aber ich glaube an die Dualität, also an die perfekte Kombination von Analog und Digital“, sagt er. „Die Erwartung, dass sich mit der Digitalisierung wirklich alles grundlegend ändert, wird so auch nicht eintreten.“ Denn die elektronische Welt ist unvollständig, wie er sagt: „Das Digitale ist immer hinter einer Glasscheibe, es berührt nur zwei unserer fünf Sinne. Als Biologe gesprochen: Die Menschen leiden unter einer Deprivation, einem Entzug der Reize bei drei von fünf Sinnen.“
Deshalb müssten alte Technologien erhalten werden. „Es muss auch Leute geben, die dafür sorgen, dass das, was jahrhundertelang gut funktioniert hat, nicht verloren geht.“ Dass es sich heutzutage bei Polaroid wie Vinyl trotz des relativen Booms gleichermaßen um Nischenprodukte handelt, sieht er eher als Schutz denn als Problem. „Die Tendenz ist ja, dass alte Technologien sterben, weil sie sie für die Konzerne kurzfristig nicht mehr wirtschaftlich rentabel sind. Deshalb ist es eigentlich einer der größten Vorteile, ein Nischenprodukt zu sein, denn sonst würden große Konzerne versuchen, das wieder an sich zu reißen.“
Doch auch bei ebenjenen Konzernen sieht er seine Haltung bestätigt. Denn von Amazon bis Facebook herrscht der Trend, sich auch in analogen Märkten breit zu machen. „Dort reift auch die Einsicht, dass es ohne Brick and Mortar nicht geht, warum eröffnet Amazon sonst in den letzten Monaten so viele stationäre Geschäfte? Das ist doch eigentlich die die Antithese zu deren Geschäftskonzept.“ Mit Blick auf unterschiedlichste Branchen könne man sehen, dass diejenigen, die sich behaupten können, sich auf ebenjene Sinneseindrücke spezialisieren. „In der Lebensmittel- und Gastronomiebranche ist das zum Beispiel so. Woher rührt denn der Trend zu offenen Küchen? Was den Online-Konzernen fehlt, ist die Multisensorische. Geschmack kann man nicht digitalisieren – Amazon riecht nicht!“
Und was kann man als Apotheke daraus lernen? „Es geht um eine schlaue Neupositionierung und die geschickte Verknüpfung von Online und Offline“, sagt Kaps. Das „Handwerkliche“ müsse wieder in den Vordergrund. „Das ist das, womit man auch die jungen Leute abholen kann.“ In seinem derzeitigen Projekt könne man das gut erkennen: In Wien betreibt Kaps das „Supersense“.
Was genau das ist, kann er selbst nicht sagen. Gegründet als experimentelles Labor, versucht es, die Sinneseindrücke, die im digitalen Alltag zu kurz kommen, zu inszenieren, sei es in Workshops, Veranstaltungen oder einfach als Shop für vermeintlich antiquierte Technik. „Es ist eine wilde Mischung, die sich auch mehrmals am Tag ändern kann.“ Das stetig wachsende Interesse und vor allem das junge Publikum bestätigen ihn in seiner Annahme: „Das Digitale hat vieles verändert, ist aber kein übermächtiger Gegner. Im Gegenteil, es hat seine Schwachstellen – und die muss man zu nutzen wissen.“
Wie können die Apotheken diese Schwachstellen für sich nutzen nutzen? Diese und weitere zentrale Fragen rund um den digitalen Wandel stehen im Mittelpunkt der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC. Rund 30 hochkarätig Top-Speaker widmen sich am 20. und 21. März in Berlin dem wichtigsten Zukunftsthema der Branche. Neben Viktor Mayer-Schönberger, international renommierte Koryphäe auf dem Gebiet des datengetriebenen Kapitalismus, sprechen unter anderem Professor Dr. Jürgen Schmidhuber, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, dessen Algorithmen von Apple über Facebook bis Google Anwendung finden. Dunja Hayali zeigt auf, wie man mit kontroversen Diskursen in sozialen Medien umgeht, während Dr. Tu-Lam Pham zeigt, wie Technologie und soziale Medien Gesundheit und Fitness auf der ganzen Welt verändern. Mit den VISION.A Awards werden auch in diesem Jahr wieder die innovativsten Konzepte und Geschäftsideen ausgezeichnet. Sichern Sie Das ganze Line-Up, alle Informationen und Tickets gibt es hier.