Plusminus

Darum wird in Asien produziert

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Berlin -

Etwa 900.000 Patienten sind allein in Deutschland vom Skandal um verunreinigten Valsartan aus China betroffen. Der Wirkstoff ist nur einer von vielen, der in Asien produziert wird. Plusminus hat aufgedeckt, warum so viele Generika in China und Indien hergestellt werden.

Alfred Riedel ist immer davon ausgegangen, dass sein Arzneimittel auch von einem deutschen Hersteller produziert wird. Heute – nach dem Valsartan-Skandal – weiß Riedel, „es war ein Irrtum“. Auf der Packung Valsartan Hexal in seinen Händen kann Riedel keinen Hinweis finden, dass das Arzneimittel nicht in Deutschland hergestellt wurde. „Ich muss sagen, es ist eigentlich schon eine Schweinerei“, so Riedel, der zudem nicht davon überzeugt ist, „dass das so in Ordnung ist, das als deutsches Produkt zu verkaufen, obwohl es in China hergestellt wird.“ Und tatsächlich verrät die Umverpackung niemandem, wo der Wirkstoff herkommt. Weder für den Patienten, noch den Arzt oder Apotheker ist dies ersichtlich. Einzig der Sitz des deutschen Unternehmens ist auf dem Umkarton aufgedruckt.

Preisdruck: Für Professor Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), hätte der extreme Preisdruck dazu geführt, dass viele Arzneimittel eine Weltreise durchlaufen. „Drei, vier, fünf Länder sind häufig involviert.“ Der Wirkstoff komme aus einem Land, beispielsweise aus China, die Begleitstoffe aus einem anderem, beispielsweise aus Südamerika, produziert werde in Indien. Die Endverpackung finde schließlich in dem Land statt, in dem man die Sprache beherrsche, so würden weniger Druckfehler gemacht.

Einst galt Deutschland als Apotheke der Welt. Entwicklung und Produktion zahlreicher Arzneimittel fanden hierzulande statt. Heute ist der in den 80er Jahren größte Standort – die Hoechst AG – verwaist. Arzneimittelhersteller sind keine mehr zu finden, der letzte hatte vor wenigen Jahren die Segel gestrichen. Heute hänge Deutschland am Tropf von China und Indien, vor allem im Hinblick auf antibiotische Wirkstoffe. Allein im Süden Indiens haben sich hunderte Firmen angesiedelt. Schuld sei der Verdrängungswettbewerb. Die Konzentration auf nur wenige Hersteller in Asien, führe zu erheblichen Nebenwirkungen für den deutschen Markt.

Schweim beschreibt den Ernst der Lage. Fällt die Produktion in Fernost aufgrund eines Erdbebens aus, habe man in Europa für etwa drei Monate Vorräte. „Dann fangen die Menschen an zu sterben. Denn bevor wir eine Antibiotiotikaproduktion in Europa hochgezogen haben, vergehen Monate bis Jahre.“

Rabattverträge: Professor Dr. Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung sieht die Schuld für die Produktionsverlagerung in den Rabattverträgen, sie hätten die Auslagerung befeuert. Es gebe Rabatte von bis zu 98 Prozent. „Das ist pervers. Das kann man nicht anders bezeichnen.“ Und den Rabatt wollen die Krankenkassen und Hersteller von den Herstellern aus Indien und China, das könne nicht gut sein, so Sörgel.

Patentschutz: Neben dem Preisdruck, sei auch der Patentschutz schuld an der Auslagerung der Produktion. Originale seien teuer, sobald das Patent ablaufe, kämen Generika auf den Markt, ein Preissturz sei die Folge. Das Problem: So lange der Patentschutz für ein Arzneimittel besteht, darf keine Produktion anderer Hersteller in Europa stattfinden. Anders sieht es in Asien aus. Hier können die Nachahmer in Vorproduktion gehen. Die Folge: Bereits einen Tag nach Ablauf des Patentschutzes können die Generika in deutschen Apotheken verkauft werden.

Bork Bretthauer von Pro Generika hält diese Regelung für einen Fehler. Das führe dazu, dass Generikahersteller „Produktionsstätten systematisch außerhalb der EU aufbauen müssen.“ Ist die Produktion einmal außerhalb Europas etabliert, „kommt sie erfahrungsgemäß nicht zurück“. Die EU-Kommission habe das Dilemma erkannt und wolle die Regelung ändern, dann könne auch in Europa vorproduziert werden. Doch Deutschland zeigt sich zurückhaltend. Das Fazit: Solange in Asien hergestellt wird, tragen die Patienten die Folgen.

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