Der Hunde- und Katzenapotheker Torsten Bless, 18.08.2017 11:34 Uhr
Der passionierte Beagle-Fan Alexander Jaksche hat sich auf Tiermedizin verlegt. Er wittert ein großes Umsatzpotenzial: Wenn es Hund und Katze gut geht, kaufe auch sein Besitzer gerne in der Apotheke ein. Das geballte Wissen des Darmstädters Apothekers gibt es jetzt als Buch.
Alexander Jaksche studierte in Frankfurt Pharmazie. Im Jahr 1999 übernahm er die Apotheke an der Mathildenhöhe in Darmstadt. „Vor etwa sieben Jahren habe ich angefangen, mich auf Tiermedizin zu spezialisieren“, erzählt er. „Man sucht sich ja seine Nische. Es gab hier in der Umgebung bereits zwei Mutter-Kind-Apotheken und mehrere andere mit Homöopathie-Schwerpunkt. Aber ich habe keine Kinder.“
Dafür ist Jaksche stolzer Beagle-Besitzer. Nach dem Tod seiner 15 Jahre alten Hündin lebt jetzt die acht Monate alte Mia unter seinem Dach. „Ein Leben ohne Beagle ist möglich, aber sinnlos“, bekundet der Apotheker in Abwandlung des berühmten Mops-Zitats von Loriot.
Mit einer möglichen Spezialisierung auf Tiere stand Jaksche in Darmstadt allein auf weiter Flur, ergab seine persönliche Marktforschung. Doch vor dem Aufbau eines Sortiments musste er sich erst das dafür nötige Wissen zusammensuchen. „Das war schon mühsam“, räumt er ein. „Es gibt viele rechtliche Anforderungen zu beachten. Das ist sehr knifflig. So schreibt die Apothekenbetriebsverordnung vor, dass Arzneimittel für Tiere nur von Tierärzten verordnet werden dürfen. Auch Rezepturen dürfen wir nicht ohne ihre ausdrückliche Anordnung herstellen. Die Tierärzte wiederum dürfen nicht alle Wirkstoffe verschreiben.“
Zudem werde unterschieden zwischen Heimtieren und Tieren, die zur Gewinnung von Lebensmitteln dienen. „Zur einen Kategorien gehören etwa Kühe oder Schweine, zur anderen Hunde, Katzen oder Kaninchen“, erläutert der Spezialist. Diese Kategorisierung führe schon mal zu der einen oder anderen Kuriosität. „Ein Minipig gilt als Schwein, obwohl es als Haustier gehalten wird. Beim Pferd muss explizit im Pass vermerkt werden, dass es nicht als Lebensmittel verarbeitet wird.“
Arzneimittel für Menschen dürften nicht ohne Weiteres bei Tieren angewendet werden. Eine Kundin habe ihr Durchfallmittel beim eigenen Hund anwenden wollen. „Davon konnte ich sie gerade noch abbringen, denn das hätte seinen Darm lahmgelegt.“ Jede Tierart habe ihren eigenen Medikamentenkanon. „Hunde und Katzen zum Beispiel haben einen unterschiedlichen Stoffwechsel“, so Jaksche. „Ein Zeckenmittel, das dem Hund hilft, kann eine Katze töten.“
Als sich Jaksche nach ausgiebigem Selbststudium genügend kompetent fühlte, begann er mit dem Aufbau eines Grundstocks. „Wir haben klein mit drei Regalböden in der Frei- und Sichtwahl mit etwa 50 Tierpräparaten angefangen“, erinnert er sich. „Dann starteten wir die Werbung für unser neues Angebot. Die meisten Kunden verbinden Tiermedizin ja nicht unbedingt mit einer herkömmlichen Vor-Ort-Apotheke. Wir haben geschaut, welche Indikationen nachgefragt wurden und darauf abgestimmt unser Sortiment weiter ausgebaut.“
Schon bald merkte der frisch gebackene Spezialist, dass er einen Nerv getroffen hatte. „Tierhalter sind eine absolut relevante Zielgruppe.“ Mit steigender Tendenz, wie die Statistiken zeigten: „Im Jahr 2012 lebten in 16 Prozent aller Haushalte Katzen, in 13 Prozent Hunde. Im letzten Jahr gab es schon in 22 Prozent aller Haushalte Hunde, in 16 Prozent Katzen.“
75 Prozent aller Tierhalter seien über 40 Jahre alt, 30 Prozent über 60. „Das ist ja unsere Zielgruppe. Bei vielen älteren Menschen lebt der Ehepartner nicht mehr und die Kinder längst aus dem Haus, ein Tier wird dann zum wichtigsten Sozialkontakt. Hier kann man sich einen guten Ruf als Tierapotheker aufbauen und wird so nicht so schnell austauschbar.“
Der Anteil der Tiergesundheit am Gesamtumsatz seines Betriebs sei dennoch eher gering, räumt Jaksche ein. „Aber mittlerweile übersteigt er den eines gut sortierten Kosmetikdepots.“ Das Potenzial sei gleichwohl nicht zu unterschätzen, betont Jaksche. „Am anderen Ende der Leine ist ja auch noch jemand. Wenn es dem Tier schlecht geht, dann auch seinem Besitzer. Wenn der Apotheker dazu beiträgt, dass dem Tier wieder besser geht, dann hinterlässt das beim Menschen Eindruck. Er kommt dann wieder, um für sich selbst Medikamente zu besorgen.“
Wer sich auf Tiermedizin spezialisieren will, kann auf Jaksche zählen. „Mein mühsam angeeignetes Wissen will ich auch anderen Apothekern zukommen lassen.“ Seit vier Jahren ist der Darmstädter Referent für Tiergesundheit in der Apotheke bei den Apothekerverbänden Hessen und Baden-Württemberg. In Vorträgen vor Kollegen vermittelt Jaksche erste Grundlagen und gibt Recherchetipps an die Hand. „Mal spreche ich vor zehn bis zwölf Mitarbeitern, es können aber schon bis zu 30 sein.“
Nicht nur das gesetzliche oder medizinische Basiswissen vermittelt Jaksche in seinen Referaten. „Ich will ein Bewusstsein dafür wecken, welches Potenzial hier schlummert. Die Krankenkassen haben uns etwa die Teststreifen für Diabetiker oder die Hilfsmittel gegen Inkontinenz weggenommen. Die Tiergesundheit kann ein guter Ersatz sein.“
Wer hier einsteige, müsse die Werbetrommel rühren. „Wenn wir uns mit einem Thema intensiv beschäftigen, dürfen wir nicht erwarten, dass der Kunde das automatisch mitkriegt. Wir müssen es auf allen Kanälen kommunizieren, die uns zur Verfügung stehen, in den Offizins, den Schaufenstern, auf den Kassenzetteln, der Homepage oder den sozialen Medien.“ Jaksche weiß aus Erfahrung, wovon er spricht. „Noch heute passiert es mir, dass mir Kunden sagen, ‚ich wusste gar nicht, dass sie auch Tiermedizin vorrätig haben‘.“
Die Schwerpunktsetzung auf Vierbeiner könne zudem ein probates Mittel gegen die Konkurrenz aus dem Versandhandel sein. „Auch hier können wir unsere Beratungskompetenz voll zur Geltung kommen lassen“, so Jaksche.
„Viele Hundehalter wissen zum Beispiel nicht, dass sie ihren Liebling 48 Stunden nicht baden dürfen, wenn das Zeckenmittel wirken soll. Oder dass bei einer Flohbekämpfung nicht nur das Tier, sondern auch das gesamte Umfeld behandelt werden muss. Nur fünf Prozent aller Flöhe, Larven und Eier finden sich im Fell, der Rest verteilt sich in der Umgebung.“ Eine Beratung in der Apotheke könne gleichwohl den Tierarzt nicht ersetzen. „Im Zweifel bleibt er der erste Ansprechpartner.“
Jaksches geballtes Wissen findet sich jetzt auch auf 113 Buchseiten. „Vierbeinige Lieblinge in der Apotheke – 66 Fragen zu Hunden und Katzen“, so der Titel des im Juni erschienenen Praxis-Ratgebers aus dem Deutschen Apotheker-Verlag. Seine Ehefrau, die Grafik-Designerin Sandra Thill, steuerte dazu die Illustrationen bei. „Dieses Buch richtet sich in erster Linie an pharmazeutisches Personal in der Offizinapotheke“, schreibt dazu der Autor. Doch auch ganz gewöhnliche Tierliebhaber finden nach Überblättern des vorangehenden rechtlichen Teils viele Antworten auf brennende Anliegen.