Chirurgen: Ethik statt Monetik dpa, 10.04.2013 15:06 Uhr
Nimmermüde Ärzte, die auch noch nach 48 Stunden Bereitschaftsdienst
erfolgreich operieren und Leben retten. Solche Klischee-Bilder aus
US-Krankenhausserien prägen die Vorstellung von Arztberufen bis heute
mit – vor allem, wenn es um Chirurgen geht. Doch die junge Generation
hat ganz andere Bilder und Wünsche im Kopf: mehr Familienfreundlichkeit,
mehr konstruktives Feedback vom Chef, mehr Flexibilität bei der
Arbeitszeit. Leistung ja, Karriere sehr gerne – aber längst nicht mehr
um jeden Preis. Das geht aus einer großen Studie hervor, die der
Berufsverband Deutscher Chirurgen vorstellte.
Neben der Generation Y (ab 1980) wurden dazu auch Babyboomer (Jahrgang 1946-64) und Vertreter der Generation X (1965-79) befragt. Auffälligstes Ergebnis: Anders als der Generation Y generell oft unterstellt, sind den jungen Chirurgen Karriere-Perspektiven sehr wichtig (85 Prozent, gegenüber 65 Prozent bei den Babyboomern). Die Aufgabe muss sie dabei aber vor allem inhaltlich interessieren: Dafür würden neun von zehn jungen Chirurgen den Arbeitgeber wechseln. Nur 31 Prozent täten dies allein wegen besserer Bezahlung – gegenüber 43 Prozent aus der Generation X.
Exzellente Weiterbildung ist ebenfalls für junge Chirurgen besonders wichtig (91 Prozent). Im Unterschied zu den älteren Kollegen: Nur die Hälfte der Babyboomer schätzt den Wert der Weiterbildung so hoch ein. „In anderen Branchen haben die Älteren den Punkt Fort- und Weiterbildung sehr viel stärker im Blick“, sagte Studienautorin Professor Dr. Margit Geiger von der Uni Bochum.
Auch flexible Arbeitszeitmodelle und mehr Familienfreundlichkeit hält nur die Hälfte der Älteren für wichtig – aber dafür drei Viertel der jungen Kollegen. Jeder zweite Jungchirurg wünscht sich einen Betriebskindergarten. Ein Dienstwagen hingegen zieht bei zwei Dritteln überhaupt nicht als Lockmittel.
Das deckt sich mit den Vorstellungen der Medizinstudenten. „Das Thema Familienfreundlichkeit ist ein Grundtenor bei den Studenten, der sich seit langem verstärkt“, sagt Carolin Fleischmann von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd), in der über die Fachschaften 80.000 Studenten zusammengeschlossen sind.
„In den Krankenhäusern wird sich einiges ändern müssen. Ein Umdenken hat eingesetzt. Die jungen Kollegen werden darauf bestehen, dass sie eben ihre Kinder aus der Kita holen müssen“, sagt Fleischmann. Das bedeute keineswegs Leistungsverweigerung. „Wer dieses Studium wählt, weiß, dass Arzt zu sein, kein 9-to-5-Job ist. Aber es geht auch nicht darum, sich völlig aufzuopfern.“ Hier gelte es im Dialog den älteren Kollegen noch einiges zu vermitteln. „Aber wir sind in der komfortablen Situation, dass Ärzte gesucht werden.“
Traditionell sind gerade in großen Unikliniken die Hierarchien besonders starr, Druck wird von oben nach unten weiter gegeben. Konstruktives Feedback jedoch fehlt oft. Dabei sind den jungen Kollegen Führung und Vorbild der Älteren durchaus wichtig. Für 82 Prozent der Generation Y haben die Vorgesetzten eine Vorbildfunktion.
Und auch das Feedback des Chefs erwarten 94 Prozent regelmäßig. „Es stimmt nicht, dass die Jungen ein Problem mit Führungsstrukturen haben“, betonte Ansorg. Vielmehr hätten die Älteren ein Problem, zu führen. „Hier ist ein Punkt, wo wir konkret ansetzen und die Situation verbessern müssen.“