Chefgehalt gestrichen – Grabstein im Schaufenster Sandra Piontek, 11.05.2023 11:34 Uhr
Mit einem Grabstein und vielen schwarzen Kreuzen hat Verena Voß das Schaufenster der Flora-Apotheke in Berlin dekoriert. Mit dem Friedhof in der Auslage will die Apothekerin die Kolleg:innen motivieren, gemeinsam die Stimme zu erheben: „Damit mehr Apotheken den Mut haben, endlich den Mund aufzumachen und sich zu wehren, denn nur gemeinsam sind wir stark.“ Voß steht nach eigenen Angaben mittlerweile mit „dem Rücken an der Wand“. Es war zwischenzeitlich finanziell so knapp, dass Voß auf ihr eigenes Gehalt verzichtet hat.
Die kleine Kiez-Apotheke ist Anlaufpunkt für viele ältere Stammkund:innen, aber auch für Familien und mittlerweile wieder für Touristen. Schon während der Corona-Zeit wurde die Miete um satte 800 Euro erhöht. Hinzu kam eine Forderung eines EDV-Herstellers: „Ich musste einen neuen Vertrag für unsere Software abschließen, da die alte Vereinbarung auslief. Das schlug mit 300 Euro mehr zu Buche“, so Voß.
Parallel dazu kämpft die Apothekerin mit schlechtere Großhandelskonditionen und steigenden Kosten bei fehlender Honoraranpassung: „Leider bin ich wie viele tausend andere Apotheken in Deutschland davon betroffen und stehe mittlerweile mit dem Rücken an der Wand.“ Da helfe auch das Anbieten von pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) nicht: „Aus personaltechnischen Gründen können wir das gar nicht so anbieten können, wie wir es gerne machen würden. Unser Team besteht mittlerweile nur noch aus drei Mitarbeiterinnen. Wenn die Urlaubszeit kommt, müssen wir es zu zweit schaffen“, so Voß.
Grabstein und schwarze Kreuze
Um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen, dekorierte die Apothekerin das Schaufenster um. Ein großer Grabstein mit den „gestorbenen“ Apotheken der Umgebung und viele schwarze Kreuze sollen zeigen, wie schlecht es um die Apotheke vor Ort steht. „Die kleinen Plakate, die wir von der Abda bekommen, reichen nicht aus, da muss mehr gemacht werden“, so Voß. Die Kundschaft der Flora-Apotheke reagiert mitunter bestürzt: „Ich wurde von einigen gefragt, ob es denn wirklich so schlimm sei und wie man uns unterstützen könne.“ Mittlerweile sind auch schon Apotheken im Umfeld aufmerksam geworden auf das Schaufenster: „Eine Kollegin fotografierte die Plakate und wollte sich an der Schaufenster-Aktion beteiligen. Wir hoffen auf diesem Weg noch mehr Apotheken mit ins Boot zu holen.“
Kein eigenes Gehalt
Voß war im vergangenen Jahr finanziell so schlecht aufgestellt, dass sie auf ihr eigenes Gehalt verzichten musste: „Ich habe im Prinzip nur noch meine Versicherungsbeiträge zahlen können und mir mein Geld gestrichen. Neues Personal hätte ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht einstellen können.“ Mittlerweile stehe es aber wieder ein wenig besser um die Berliner Apotheke: „Ich suche wieder aktiv nach Angestellten. Nachdem eine Mitarbeiterin Anfang des Jahres in Rente gegangen ist, brauchen wir dringend Ersatz.“
Personal zu finden, sei auch deshalb sehr schwierig, weil in vielen großen Apotheken besser bezahlt werde: „Wenn sich eine PTA bei uns bewirbt und ich ihr zum Ende des Bewerbungsgespräches sagen muss, dass ich ein Gehalt 30 Prozent über Tarif nicht zahlen kann, dann ist die Entscheidung schnell gefallen.“
„Mein Team ist großartig“
Freitags sehe die Personal-Situation ein wenig besser aus: „Ich habe noch eine Mitarbeiterin, die für 10 Stunden kommt und uns hilft.“ Tatkräftig unterstützt werde Voß auch von einer PKA: „Aufgrund der Lieferengpässe und unserer knappen Besetzung arbeitet meine PKA oft auch mehr als 40 Stunden die Woche“, so die Inhaberin. „Mein Team ist eine großartige Unterstützung. Ohne deren Hilfe hätte ich längst schon schließen müssen, aber wir alle sind am Limit unserer Kräfte.“ Wir haben auch schon viel Resonanz darauf bekommen und hoffen auf diesem Weg noch mehr Apotheken mit ins Boot zu holen und „laut“ zu werden, denn wie bisher geht es nicht mehr.