Zweitgutachten

Chefärzte verkaufen Ferndiagnosen

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In Deutschland wird zu viel operiert, kritisiert eine Gruppe von Chirurgen. Deshalb haben die Mediziner das Zweitmeinungsportal „Vorsicht! Operation“ im Internet gestartet. Patienten können hier gegen Honorar ein Zweitgutachten bestellen. Andere Chirurgen vermuten hinter dem Service Geldmacherei. Der Hartmannbund hält die Ferndiagnosen sogar für ungesetzlich.

Deutschland sei führend bei der Zahl der Operationen, so der Heidelberger Knie-Spezialist und „Vorsicht! Operation“-Gründer Professor Dr. Hans Pässler. Laut Statistischem Bundesamt lagen die Ausgaben für Operationen 2009 bei 45 Milliarden Euro. Pässler kritisiert: „Es werden zig Operationen gemacht, die nicht dem Patienten nutzen, sondern nur dem Arzt.“

Auf „Vorsicht! Operation“ können Patienten nun vor dem Eingriff eine Zweitmeinung einholen. Sie schicken ihre Röntgenbilder, Laborbefunde und einen ausgefüllten Fragebogen ein und bekommen dann ein Zweitgutachten. Diese werden laut Pässler von einer „Gruppe Seniorenchirurgen“ ausgestellt: ehemalige Chefärzte, die kürzlich in den Ruhestand gegangen sind, oder solche, die dies demnächst tun. Seit dem Start des Portals vergangenen Montag haben sich Pässler zufolge rund 150 Patienten an die Experten gewandt.

Ein Zweitgutachten müssen die Patienten jedoch selbst zahlen. Die von „Vorsicht! Operation“ angebotenen Gutachten kosten zwischen 200 und 600 Euro. Auf der Website wird darauf hingewiesen, dass die Krankenkasse die Kosten möglicherweise übernimmt. Zwei Versicherer haben bereits Interesse geäußert: Die deutsche BKK prüft laut eigenen Angaben eine Zusammenarbeit. Die private Krankenversicherung Debeka will „voraussichtlich in einer Testphase“ die Kosten übernehmen, so eine Sprecherin.

Der Hartmannbund kritisiert, dass die Zweitgutachten ohne persönliche Untersuchung erstellt werden und sich lediglich auf Erkenntnisse aus den Fragebögen stützt. Nach der Berufsordnung für Ärzte und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürften therapeutische Aspekte nur nach eigener, unmittelbarer Anschauung des Patienten beurteilt werden. Dagegen verstoße jede Form der Fernbehandlung, heißt es beim Hartmannbund.

Der Vizepräsident des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. Andreas Gassen, unterstellt den Ärzten von „Vorsicht! Operation“, dass es um Profit gehe. Er selbst rechne für eine Untersuchung mit Beratung lediglich 21 Euro ab - bei Privatpatienten. Bei gesetzlich Versicherten sei es noch weniger. Pässler hingegen findet das Honorar gerechtfertigt, zwei Stunden Arbeit seien pro Gutachten zu kalkulieren.

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