Gänzlich ungebetener Besuch: Kürzlich stürmte ein Unterstützungskommando (USK) der bayerischen Polizei die Wohnung des Cannabis-Aktivisten Floh Söllner. Ihm werde von der Staatsanwaltschaft illegaler Drogenbesitz zur Last gelegt, dabei hole er sich den Stoff als Schmerzpatient ganz legal aus der Apotheke, sagt der Fürther.
Die Polizeispezialkräfte der USK werden in Bayern unter anderem zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Schwer- und der Drogenkriminalität eingesetzt. Um gefährliche Straftäter dingfest zu machen, stürmen sie dafür schon mal Gebäude. Entsprechend martialisch seien sie auch bei der Durchsuchung seiner Wohnung vorgegangen, berichtet Söllner. „Zufällig waren zwei Freunde von mir da, sie wurden mit Handschellen gefesselt und über eine halbe Stunde festgehalten.“ Auch sein Smartphone sei vorübergehend beschlagnahmt worden.
Grundlage des Durchsuchungsbefehls waren „vorherige Ermittlungen“ zu einem am 14. August geposteten Facebook-Video. Als „Man@at work“ baut er sich vor seinem Laptop sitzend scheinbar einen Joint. Die Staatsanwaltschaft verdächtigte ihn daraufhin laut Durchsuchungsbefehl des Besitzes und Konsums von ein Gramm Cannabis. „Dabei bin ich Patient und beziehe jeden Monat mein Cannabis legal aus der Apotheke, das scheinen die Damen und Herren geflissentlich übersehen zu haben“, so Söllner. „Ich muss 10- bis 15-mal am Tag inhalieren. Das darf ich auch auf Facebook zeigen.“ Eine angebliche im Durchsuchungsbefehl beanstandete Hanfpflanze im Bildhintergrund habe sich als harmloser Arturium-Strauch entpuppt.
Über den vergleichsweise geringen Anlass für die „Überrumpelungsaktion“ wundert sich Söllner schon sehr. „Ich bin als Cannabis-Aktivist schon lange Jahre bekannt, es gibt von mir unzählige Artikel in Fachzeitschriften und Videos auf YouTube, da ist es schon erstaunlich, dass ausgerechnet ein kleines Facebook-Video zum Großeinsatz führt.“ Söllner glaubt nicht an einen Zufall. „Ich bin schon so oft angeeckt, da könnte mich jemand gezielt angeschwärzt haben. Im Vorfeld scheinen bereits anderweitige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen mich gelaufen zu sein.“
Schmerzpatient ist der heute 37-Jährige, seit er denken könne. „Im Alter von anderthalb Jahren erlitt ich schwere Verbrühungen. Als Kind hatte ich 16 Operationen und musste schon schwere Medikamente nehmen.“ Im Laufe der Jahre habe er fast alle regulären Schmerzmittel durchprobiert, erzählt Söllner. „Psychopharmaka war das letzte, was den Ärzten dann eingefallen ist. Als Nebenwirkungen hatte ich unter anderem schlimmste Hautausschläge und Potenzprobleme.“ Seine langjährige Musikerkarriere als Liedermacher habe er in dieser Zeit an den Nagel gehängt. Schon vor der Apothekenfreigabe habe er hin und wieder zum Cannabis gegriffen, um seine Beschwerden zu lindern. „Doch der Druck der Illegalität und die Angst vor Repressalien waren enorm.“
Nicht von ungefähr: Schon 2007 wurde Söllner nach einem anonymen Anruf des illegalen Anbaus von Cannabis verdächtigt. Bei einer Hausdurchsuchung in seiner Abwesenheit habe die Polizei seine Wohnung verwüstet und dabei dutzende Gegenstände beschlagnahmt. Darunter hätten sich Hanftee und Hanf-Speiseöl gefunden, beides legal im Bioladen erhältlich. Doch eine illegale Plantage sei nicht gefunden worden. „Der Richter tat sich wahnsinnig schwer, eigentlich hätte er mich freisprechen müssen, aber dann hat er das Verfahren nur eingestellt.“ Damit sei er auf den Verfahrens- und Anwaltskosten sitzengeblieben.
Dank des Cannabis aus der Apotheke hätten sich die Symptome spürbar verringert. „Cannabis ist kein Heil- oder Wundermittel“, betont Söllner. „Der Schmerz ist nicht ganz weggegangen, aber meine Lebensqualität hat sich wesentlich verbessert. Mein Kopf ist relativ klar.“ Jetzt könne er seine Kinder wieder selbst versorgen. „Unter Einfluss der Psychopharmaka war ich derjenige, um den man sich kümmern musste.“ Der ehemalige Musiker hat sich zudem als Experte profiliert, schreibt für Websites und Spezialmedien wie das Cannabis-Magazin „Infused“ und kämpft weiter in vorderster Front für die generelle Hanf-Freigabe. Vom USK-Einsatz lasse er sich nicht entmutigen: „Wenn die denken, sie könnten mich mit so einer Aktion entmutigen oder kleinkriegen, dann haben sie es immer noch nicht geschnallt.“ Das Verfahren läuft.
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