Bundesverfassungsgericht

Tarifeinheit: Urteil enttäuscht Gewerkschaften

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Karlsruhe -

Die klagenden Gewerkschaften haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz überwiegend enttäuscht aufgenommen. Die Richter hatten das Gesetz im Grundsatz als verfassungsgemäß eingestuft, aber Vorgaben gemacht, wie die Interessen von Minderheitsgewerkschaften besser berücksichtigt werden müssen. Das Gesetz sieht vor, dass nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb gilt, sofern sich die Gewerkschaften nicht einigen.

Der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, sagte: „Wir fühlen uns als Berufsgewerkschaft gestärkt und anerkannt.“ Nun müssten Arbeitsgerichte und Gesetzgeber die Vorgaben des Gerichts berücksichtigen.

Vor dem Karlsruher Urteil zur Tarifeinheit warnte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund vor den drohenden Auswirkungen der umstrittenen gesetzlichen Neuregelung. In einem Krankenhaus seien nur 14 bis 15 Prozent der Beschäftigten Ärzte, so Henke. Selbst wenn in der übrigen Belegschaft der Organisationsgrad nicht sehr hoch sei, hätten die konkurrierenden Gewerkschaften wie Verdi leicht mehr Mitglieder im Betrieb. „Und dann haben wir das Nachsehen und könnten keine wirksamen Tarifverträge in unserem Sinne abschließen.“

Das seit rund zwei Jahren geltende Gesetz bestimmt, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen in einem Betrieb künftig nur der Abschluss mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft gilt. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will so Machtkämpfe verhindern.

Der Marburger Bund, der wie etliche andere Gewerkschaften vor dem Bundesverfassungsgericht klagte, sieht dagegen die Gefahr, zum Bittsteller zu werden. Die Gewerkschaft in der Minderheit hat zwar das Recht, sich dem Mehrheits-Tarifvertrag anzuschließen. „Aber das hat mit eigenem Willen und eigener Präferenz und Handlungskraft nichts zu tun“, kritisierte Henke. In jedem Krankenhaus drohe permanenter Streit. Die Ausübung der Koalitionsfreiheit dürfe nicht an Mehrheiten geknüpft werden.

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sagte in Karlsruhe: „Der Angriff auf Berufsgewerkschaften ist in erster Linie abgewehrt. Wir hätten uns allerdings eine klarere Entscheidung gewünscht, nämlich ein klares Zurückweisen des Gesetzes.“ Für die GDL gehe von dem Gesetz nach den Vorgaben des Gerichts allerdings keine Gefahr aus: „Die nächsten 150 Jahre sind bei uns gesichert.“ Kritiker hatten Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgeworfen, mit dem Gesetz vor allem die Bahnstreiks der GDL stoppen zu wollen.

Als „schwer nachvollziehbar“ kritisierte der Vorsitzende des Beamtenbunds dbb, Klaus Dauderstädt, das Urteil. Die vom Gericht geforderten Änderungen und Ergänzungen würden das Gesetz kaum praktikabler machen. „Auf die Arbeitsgerichte kommen enorme Belastungen zu.“ Auch in neuer Form verschärfe das Gesetz die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften. Der dbb erwäge eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis sagte: „Wenig Licht, viel Schatten.“ Die Lösung von Tarifkonflikten überlasse das Gericht den Arbeitsgerichten. „Uneinheitliche Urteile und unzählige Prozesse drohen zu jahrelanger Rechtsunsicherheit zu führen.“ Der Präsident der Piloten-Vereinigung Cockpit, Ilja Schulz, kritisierte, kleine Gewerkschaften müssten weiter fürchten, durch eine größere verdrängt zu werden.

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