Bundesverfassungsgericht

Angriff auf Kammerzwang

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Berlin -

Seit Jahren stöhnen die Apotheker unter der doppelten Zwangsmitgliedschaft in Apothekerkammer und Industrie- und Handelskammer (IHK). Erstmals seit 1962 könnte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jetzt über die Pflichtmitgliedschaft in der IHK entscheiden. Zwei Unternehmer haben einem Bericht des Spiegel zufolge Verfassungsbeschwerde gegen den gesetzlichen Kammerzwang eingereicht. Einer davon ist der Kasseler Reisebüroleiter Kai Boeddinghaus, der auch Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern (bffk) ist.

Ob die Beschwerde in Karlsruhe angenommen wird, ist noch offen. Das Verfassungsgericht hatte die Zwangsmitgliedschaft zuletzt vor 52 Jahren für zulässig erklärt. Nachfolgende Beschwerden wurden seitdem nicht mehr zur Entscheidung angenommen.

Jetzt hat das BVerfG mehr als 30 Institutionen – darunter Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzleramt, Bundesministerien, Länderregierungen, den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und den bffk – bis zum 15. Mai um Stellungnahmen gebeten, „um die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für die zu treffende Entscheidung zu verbreitern“, wie es aus Karlsruhe hieß. Wird die Beschwerde angenommen, würde die Mitgliedspflicht bei den Kammern überprüft.

Für Apotheker gilt aktuell eine Sonderregelung für die IHK-Mitgliedschaft: Der Gewinn wird bei der Berechnung des Beitrags nur zu einem Viertel veranschlagt. Der Beitrag zur Apothekerkammer ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.

Auch in anderen Berufen gibt es solche Doppelmitgliedschaften: Autohäuser sind beispielsweise sowohl Mitglied der IHK als auch der Handwerkskammer (HWK): Mit dem Geschäftszweig Autoverkauf sind sie IHK-Mitglied, mit dem handwerklichen Kfz-Reparaturbetrieb HWK-Mitglied.

Insgesamt sind in Deutschland laut Spiegel rund fünf Millionen Unternehmen und Gewerbetreibende IHK-Mitglieder. Die insgesamt 80 Kammern haben dadurch Jahreseinnahmen von rund 1,3 Milliarden Euro.

Der bffk begrüßte die Vorbereitung auf die Prüfung eines Kammerzwangs durch das Verfassungsgericht. Das sei ein deutliches Signal an den Gesetzgeber zur Umsetzung notwendiger Reformen. „Der Kammerzwang ist Relikt aus der Vergangenheit“, so Boeddinghaus. Mit dem nun begonnen schriftlichen Anhörungsverfahren sei eine Trendwende eingeläutet. „Kammerfunktionäre und Politik müssen jetzt erkennen, dass sie im Interesse des Fortbestandes der Kammern als Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft an grundlegenden Reformen nicht vorbeikommen“, sagte bffk-Vorsitzender Frank Lasinski.

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