Kunden laufen Sturm

Bürgermeister verkündet Apothekenschließung

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Berlin -

Apothekerin Anja Klosendorf-Hieß ist fassungslos: Über ihren Kopf hinweg verkündete Bürgermeister Daniel Bauer (SPD) auf der Titelseite des Amtsblatts seiner 6000-Seelen Gemeinde Hohenstein, dem „Hohensteiner Blättche“, die Schließung Ihrer Burg Apotheke. In der Ausgabe vom 17. Mai führt er einen riesigen Handlungskatalog an, um die Apotheke zu retten und den Standort im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis attraktiv zu gestalten – dabei ist die Inhaberin mit einer potenziellen Nachfolgerin bereits in Gesprächen.

„Ich wurde von der Veröffentlichung total überrumpelt“, berichtet die Inhaberin. „Ich habe den Mietvertrag für die Apotheke nicht verlängert. Der Vermieter ist daraufhin zum Bürgermeister gegangen und hat es ihm erzählt. Über meinen Kopf hinweg hat dieser dann meine Schließung im Amtsblatt öffentlich gemacht.“

Keine Notwendigkeit der Kontaktaufnahme

Der Bürgermeister sieht die Sache etwas anders; seiner Meinung nach sei die Schließung der Apotheke bereits seit einigen Monaten Thema in der Gemeinde. „Durch Bürgeranfragen direkt an die Gemeinde Hohenstein einerseits und in bilateralen Gesprächen des Bürgermeisters mit Bürgerinnen und Bürgern andererseits ist der gefestigte Eindruck entstanden, dass die Bürgerschaft über die Schließung bereits in vollständigem Bilde war“, erklärt er.

Der Fokus der Mitteilung im Amtsblatt liege immerhin auf dem Umgang der Gemeinde mit der Schließung, nicht auf der Schließung an sich. „Daraus ergibt sich für das Veröffentlichungsorgan der Gemeinde Hohenstein zunächst keine Notwendigkeit der vorherigen Kontaktaufnahme mit der Apothekerin.“

Seiner Meinung nach ist es bedauerlich, dass seitens der Apotheke drei Monate vor der geplanten Schließung „trotz öffentlichen Auftrages keine Information hierzu an die Kunden herausgegeben wurde“. Aus seiner Sicht war es „wichtig und geboten“ die Gemeinde zu informieren.

Kunden laufen Sturm

Die Apothekerin bekam die Folge der Veröffentlichung umgehend zu spüren: „Die Leute sind bei mir Sturm gelaufen, ich dürfe ihnen die Schließung nicht antun. Das war für mich sehr, sehr unangenehm.“ Die Kundschaft verstehe natürlich, dass die Apothekerin in Rente gehen möchte; dennoch wünsche sie sich, dass die Apotheke bestehen bleibt. Immerhin befinden sich viele Bewohnerinnen und Bewohner in einem hohen Alter, haben teilweise kein Auto. Die nächste Apotheke liegt in vier Kilometern Entfernung; nicht für jeden ist diese Distanz leicht zu bewältigen.

Beim Amtsblatt wollte sich Klosendorf-Hieß durchaus über die Veröffentlichung beschweren, „nur das verantwortet unser Bürgermeister ja selbst“. Für sie ist es eine Ungeheuerlichkeit, dass die Schließung ohne eine Vorabinformation an sie, geschweige denn ein gemeinsames Gespräch mit dem Bürgermeister, abgedruckt wurde. Immerhin hätte die Information ja auch falsch sein können, und: Das war sie ja in Teilen auch.

Gespräche sind geplant

„Es ist unfassbar schwierig eine Nachfolge zu finden“, weiß die Apothekerin aus eigener Erfahrung. „Es gibt heutzutage so viele Gründe, warum es einem verleidet wird, eine Apotheke zu führen.“ Dennoch hat sie seit April eine Interessentin für die Apotheke, steckt noch mitten im Klärungs- und Abwicklungsprozess. Für ihren Stand der Dinge habe sich der Bürgermeister offensichtlich nicht interessiert, schlussfolgert Klosendorf-Hieß, immerhin habe er sie zu keinem Zeitpunkt gefragt. Das Verhalten Bauers kann sie in keinster Weise nachvollziehen.

Bewegung in die Gesundheitsversorgung der kleinen Gemeinde sei erst durch die Schließung der Burg Apotheke gekommen, erklärt Klosendorf-Hieß. Im Mitteilungsblatt kündigt Bauer an, „die schlechte Nachricht als Chance zu begreifen“ und mit der Gesundheitskoordinatorin des Rheingau-Taunus-Kreises, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Ärzten in der Umgebung sprechen zu wollen. Auch die Etablierung eines MVZ oder eines Ärztehauses sind im Gespräch. So soll „Hand in Hand“ dafür gesorgt werden, „dass die medizinische Grundversorgung in Hohenstein gewährleistet wird.“

Ein gemeinsames Treffen, auch mit der aktuellen Apothekeninhaberin, befindet sich laut Bauer aktuell in Abstimmung.

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