Budenzauber für Apotheken Silvia Meixner, 05.06.2017 08:12 Uhr
Berliner Budenzauber statt Rathaus-Apotheke in Oberbayern: Die in der Apothekerszene als politische Kämpferin bekannte Gabriela Aures verkauft Unternehmen und Haus in Gaimersheim und zieht mit ihrem Mann nach Brandenburg, kurz vor die Tore Berlins. Ihre Geschäftsidee: eine bayerisch-preußische Apothekenvertretung.
Das Unternehmen „Budenzauber“ verheißt vieles, das Apotheker mit Fachkräftemangel gerne lesen werden: „Mich kann man jetzt mieten. Bei mir gibt‘s bayerische Gelassenheit gepaart mit preußischem Pflichtgefühl“, sagt die Apothekerin. Nach 18 Jahren Selbständigkeit in Bayern verlegt sie ihren Lebensmittelpunkt gerade nach Brandenburg, an die Stadtgrenze zu Berlin. Die Rathaus-Apotheke in Gaimersheim ist verkauft, alle Mitarbeiter behalten ihre Jobs. Und die Chefin sucht sich einen neuen. Wer eine Urlaubsvertretung sucht, kurz- oder langfristig einen Personalengpass überbrücken muss – bei Budenzauber ist er richtig.
Für Aures ist es eine Reise „back to the roots“, in Berlin hat sie nach Kindheit und Jugend in Deggendorf studiert, ging danach zurück nach Bayern und kaufte vor 18 Jahren die Rathaus-Apotheke. Gründete eine Familie, ihre Tochter studiert heute Jura in Passau. Lange lief alles bestens, dann fingen in der Branche die harten Jahre an. Und mit ihnen der Ärger, der Frust und die Lust auf Neues.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag: „Am 1. Juli wird die Apotheke übergeben, unser Haus am 1. August, im August machen wir dann den Umzug nach Berlin. Wir sind aus dem Partypeople-Alter heraus und suchen ein Haus mit Garten mit guter Anbindung an die Stadt.“ Weshalb sie als Aushilfsapothekerin in diesem Monat nur begrenzt zur Verfügung steht.
Ihren Mann hat sie „binnen zwei Minuten“ von ihren Plänen überzeugt. „Er verkauft ebenfalls sein Unternehmen, er ist in der Taxibranche tätig.“ Sollten die Vertretungspläne wider Erwarten schief gehen, hat sie keine Angst: „Ich springe ins kalte Wasser. Mein Einsatzgebiet ist nicht nur auf Berlin und Brandenburg beschränkt. Vertretung ist Plan A. Plan B lautet: ‚Schau ma moi.‘“ Bayern lassen sich eben nicht unterkriegen, schon gar nicht in Preußen.
Dass sie ausdauernd und kampfeslustig ist, hat Aures mehrfach tatkräftig bewiesen. 2012 zog sie sich aus Protest gegen die Honorarpläne der Regierung für ein Foto aus. Es zeigte sie mit einem großen Apotheken-A vor dem Bauch. Andere Kollegen folgten ihrem Beispiel. Die Botschaft an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) war klar: „In welche Tasche wollen Sie uns noch greifen?“, fragte sie spitzbübisch. Die Realität vieler Apotheker ist weniger fröhlich, die wirtschaftlichen und politischen Umstände haben sich seitdem kaum geändert. Viele Apotheker sehen sich nach wie vor in ihrer Existenz bedroht.
Schicksalstag 19. Oktober 2016: Der EuGH kippte das Boni-Verbot. „Viele von uns haben seitdem diskutiert, Briefe an Verantwortliche geschrieben. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich fragte, ob ich noch abwarten soll in der Hoffnung, dass alles besser wird. Oder ob ich die Apotheke nicht besser verkaufen sollte“, erklärt sie.
Ob ihr politisches Engagement sich über die Jahre bezahlt gemacht hat? „Schwer zu sagen. Da ist eine große Enttäuschung. Die politische Entwicklung der letzten Monate hat mich zutiefst erschüttert, was so gar nicht meinem Naturell entspricht, und tut es heute noch tagtäglich. Diese arrogante Missachtung unserer Arbeit von nahezu allen Seiten, gepaart mit absoluter Wissensabstinenz bei einigen Politikern, sucht ihresgleichen. Die Macht der Kassen, und sei es auch nur die psychologische Macht, ist zu groß. Mit dem Argument, dass Versicherte noch weiter belastet werden, kriegen sie alles durch. Und diese psychologische Macht spiegelt sich im politischen Handeln wider.“
Das Problem der Apotheken sei, so Aures, schlicht unlösbar: „Wir sind die einzige Stelle im Gesundheitssystem, an der der Patient jedes Mal gefühlt noch einmal zur Kasse gebeten wird. Und gleichzeitig glauben die Menschen, dass Apotheken Goldgruben seien. Das war vielleicht einmal so, hat sich aber geändert. Seit 2004 darbt die Branche vor sich hin.“ Das Vorurteil indes bliebe in den Köpfen.
Ob sie ihr politisches Engagement weiterführen wird, will sie sich noch einmal gut überlegen: „Zuerst machen wir die Apotheken-Abwicklung und den Umzug. Ich muss nicht auf Biegen und Brechen als Soufragette der Fantaschalen in die Geschichte eingehen.“ Hegt sie Hoffnung, dass eine neue Regierung die Probleme der Apotheker lösen könnte? „Ich habe diesbezüglich keinerlei Hoffnung. Und irgendwo ist meine Zeit begrenzt, deshalb haben wir uns für einen Neuanfang entschieden.“ Um gleich darauf hinzuzufügen: „Es kann natürlich sein, dass ich mich auch künftig einbringe.“ Aures bleibt eben Aures.
Bei der Bundestagswahl im September wird sie zum ersten Mal Die Linke wählen. „CSU konnte ich nie wählen, da bekomme ich innerlich Waschzwang. Ich habe bisher meistens SPD und gelegentlich die Grünen gewählt. Die Linke ist die einzige Partei, die sich hinter die Apotheker stellt.“ Ihre Kritik gilt auch dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD): „Er hat bei Tengelmann 15.000 Stellen mit großem Brimborium gerettet. In den Apotheken sind 150.000 Stellen, die vor allem von Frauen besetzt sind, gefährdet. Und dann heißt es immer: Die reichen Apotheker...“
Trotz aller Kritik, an einen Jobwechsel hat sie nie gedacht. „Vermutlich habe ich ein leichtes Helfersyndrom. Ich liebe den Kundenkontakt, die Kombination aus Heilberuf und Verkauf. Und ich freue mich, wenn ich jemandem helfen konnte und er wiederkommt und davon erzählt. Lob ist das Salz in der Suppe.“ Die vorerst letzte politische Forderung aus Gaimersheim lautet: „Die ABDA müsste schneller und schlagkräftiger werden, bis die sich intern abgestimmt haben, ist ein Jahr ins Land gegangen. Und ich kritisiere, dass sie sich nach wie vor nicht in die Karten schauen lassen. Manches liegt nach wie vor im Argen.“ Auf ihrer neuen Website bedankt sie sich herzlich bei Friedemann Schmidt: „Mein Dank geht an unseren Präsidenten für die Wortschöpfung der Bude. Hat sie ja doch was Gutes."
Um auch etwas Nettes zu sagen: „Die Ungestümsein, das wir Apotheker 2012 an den Tag gelegt haben, hat sich gelegt. Das Nachdenken aber nicht! Beide Seiten haben sich ein bisschen besser kennengelernt und es gibt einen besseren Umgangston als vor fünf Jahren. Trotzdem ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen.“ Adieu Gaimersheim, wir sehen uns in Berlin wieder. Lotta continua!