Im Skandal um hunderttausendfach verkaufte Brustimplantate mit Billig-Silikon hat sich der TÜV Rheinland erneut vor Gericht verantworten müssen. Am Freitagabend ging im französischen Toulon die mündliche Verhandlung um eine Zivilklage von rund 1600 Frauen und sechs Händlern zu Ende, die dem deutschen Prüfdienstleister im Zusammenhang mit der Zertifizierung der Implantate Schlamperei vorwerfen. Das Urteil soll am 7. Oktober gesprochen werden. Die Kläger fordern insgesamt mehr als 50 Millionen Euro Schadenersatz.
Der TÜV Rheinland weist alle Vorwürfe zurück und sieht sich selbst als Opfer. Er hatte bereits in der vergangenen Woche am Landgericht Frankenthal in Rheinland-Pfalz den Prozess um die Schmerzensgeldklage eines deutschen Billig-Silikon-Opfers gewonnen. Die zuständige Richterin befand, dass der TÜV Rheinland weder zu unangemeldeten Kontrollen beim Implantate-Hersteller verpflichtet war – noch dazu, die konkreten Produkte zu überprüfen. Seine Aufgabe bestand demnach darin, die Produktunterlagen sowie das Qualitätsmanagement-System des Herstellers zu prüfen.
Der TÜV Rheinland hatte bereits Anfang 2011 Strafanzeige wegen Betrugs gegen das inzwischen insolvente Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) erstattet. Dieses hatte zur Herstellung der Implantate jahrelang heimlich Industrie-Silikon verwendet, das zum Abdichten am Bau, aber nicht für medizinische Zwecke zugelassen ist. Weltweit sind nach Schätzungen Hunderttausende Frauen betroffen.Der Verdacht eines möglichen Zusammenhangs zwischen PIP-Brustimplantaten und Krebserkrankungen ist bislang allerdings nicht bewiesen. Länder wie Deutschland und Frankreich haben jedoch Brustimplantat-Patientinnen empfohlen, sich ihre Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen.
Gegen den PIP-Gründer Jean-Claude Mas wird am 17. April in Marseille ein Strafprozess wegen fahrlässiger Körperverletzung beginnen. Mas hat vor Ermittlern eingeräumt, den TÜV Rheinland bewusst hinters Licht geführt zu haben.
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