Whisky von der Pharmazieingenieurin Katharina Lübke, 05.04.2015 11:17 Uhr
Cornelia Bohn ist vieles: Perfektionistin, Feinschmeckerin und Arbeitstier. Jeden Dienstag, Mittwoch und Freitag sowie jeden zweiten Samstag steht die Pharmazieingenieurin in der Adler-Apotheke im brandenburgischen Gramzow hinter dem HV-Tisch. Jeden Montag und Donnerstag verbringt sie in ihrer Brennerei, „da ist die Reifezeit der Maische am besten“, sagt Bohn. Seit 2009 brennt Bohn ihren eigenen Singlemalt: „Preussischer Whisky“.
Morgens stellt sie als erstes die Maschine an, zweieineinhalb Stunden braucht diese, bis sie Betriebstemperatur erreicht. Bohn zieht sich eine Maische-Probe – der Ausgangsstoff für das Destillat aus Gerstenmalz, Wasser und Hefe. Sie misst pH-Wert und Extraktgehalt, urteilt, wie hoch die Ausbeute wird. Jeden Abend kontrolliert sie wieder.
Dass sie irgendwann beim Whisky landen würde, hätte mancher wohl vorhersehen können. „Wenn ich als junge Frau das Wort Whisky gehört habe, stellte ich mir diese coolen Männer an der Bar vor, die die Last der Welt auf den Schultern tragen“, erzählt sie. Sie war neugierig, wie das Getränk „riecht, schmeckt, sich im Mund anfühlt“. In der DDR war jedoch kein Herankommen.
Den ersten Schluck Whisky kostete sie in Bulgarien Mitte der 80er Jahre: „Meinem damaligen Partner hat man Whisky angeboten, mir wurde ungefragt ein Rosenwasser gegeben. Ich habe dann heimlich probiert.“ Der erste Schluck sei merkwürdig gewesen, erinnert sie sich: „Wie bei Oliven, man muss sich entscheiden, ob es schmeckt oder nicht“. Ein Jahr später folgte der zweite Schluck, der völlig anders gewesen sei. „Whisky ist das komplexeste Getränk der Welt.“
Von ihrem Begrüßungsgeld, 100 Mark, kaufte sie sich im November 1989 einen Scotch, welche Marke, verrät sie nicht. Seitdem probierte sie alle möglichen Sorten und diskutierte diese mit ihrem Vater bis tief in die Nacht. Nachdem sie jahrelang in Apotheken arbeitete, erst in Schwedt, dann in Angermünde, später in der Adler-Apotheke in Gramzow, wollte sie sich selbstständig machen: „Ich wollte mein eigener Herr sein, selbst meinen Tagesablauf bestimmen.“ Ihr schwebte „irgendetwas mit Whisky“ vor. Eine Bar oder ein Whiskyrestaurant kam aber nicht in Frage, da die Uckermarck touristisch nicht erschlossen ist. „Aber ich war fasziniert vom Vorgang des Brennens, der Destilation“, sagt sie. „Wir wissen in der Apotheke, was da vor sich geht“. Hunderte Jahre sei das Destillieren Privileg der Apotheken gewesen.
Als sie im Jahr 2000 ein paar Orte weiter, von Schwedt nach Schönemark, zog, entdeckte sie auf einem Spaziergang einen heruntergekommenen Gebäudekomplex aus Gutshaus, alter Brennerei und Pferdestall. Seit 50 Jahren hätten die Häuser leer gestanden, der Boden sei übersät gewesen mit verbrannten Möbeln, Müll und Flaschen, das Dach durchgefault. „Ich habe durch das alte Scheunentor geguckt und wusste, ich will mich darum kümmern.“
Bohn zufolge erbaute der Graf von Reedern die Gebäude 1850; bis 1950 sei gebrannt worden, vorrangig Korn – die Uckermark ist die Kornkammer Brandenburgs. Später kamen Kartoffeln und Rüben dazu. 1950 hätten die einmarschierenden Russen alles ausgeräumt: die Anlage, Fässer, Equipment. Später diente es der LPG als Unterkunft für Erntehelfer und für Büroraume, sowie als Pferde- und Kuhstall und Getreidelager. „Zum Schluss war es Entrümpelungshalle für das Dorf“, so Bohn.
Mit Hilfe von Krediten und ihrer Familie kaufte Bohn den Stall, beauftragte eine lokale Firma mit dem Umbau und schaffte eine neue Brennanlage an. Gleichzeitig brachte sie sich die Kunst des Whisky-Brennens bei: „Das meiste habe ich selbst erkundet, autodidaktisch.“ Daneben besuchte sie Lehrgänge zu Brenntechnik an der Uni Hohenheim und brannte selbst bei einem Brennmeister bei Stuttgart.
Im August 2009 destillierte sie erstmals in ihrer eigenen Brennerei. Die Mälzerei, die den Grundstoff liefere, verarbeitet nicht genveränderte Gerste aus Deutschland. Bohn beziehe dort zwei „kostbare Spezialmalze“, die über Buchholz geräuchert und geröstet seien. Seit 2013 brennt sie zudem nur noch Bio-Maische, 2018 werde der erste Whisky auf den Markt kommen. Ohne künstliche Enzyme und ohne Säuerung durch Schwefelsäure brennt sie seit Beginn. „Man muss hygienisch einwandfrei und zügig arbeiten, muss ständig kontrollieren, wie das Klima ist, ab 35 Grad fühlen sich Milchsäurebakterien sehr wohl“, so Bohn.
2000 bis 5000 Liter Whisky produziert die Pharmazieingenieurin im Jahr, die Maschine sei lediglich zu 10 Prozent ausgelastet. Gerade hat sie ihren ersten fünfjährigen Whisky angesetzt. An dreijährigem sei kaum jemand interessiert. Auch ältere Chargen würden gefragt, daher müsse man ein Lager aufbauen und könne nicht alles abverkaufen. 2018 werde die Brennerei erstmals schwarze Zahlen schreiben, schätzt Bohn.
Dafür arbeitet sie neben ihrem Vollzeitjob rund 40 Stunden pro Woche. Zum Brennen komme noch die Abfüllung, der Vertrieb und die Messen: „Das Arbeitspensum wurde immer höher“. Drei bis vier Whisky-Messen besucht sie im Jahr. „Man muss sich zeigen, um überregional agieren zu können“, sagt sie. Rund 100 Kunden beliefert Bohn aktuell, darunter etwa das KaDeWe. Ab 80 Euro kann man den Whisky kaufen.
„Hätte ich vorher gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich das nicht gemacht“, sagt sie. Ein bisschen naiv sei sie an die Sache heran gegangen. „Es hat mich viel Kraft gekostet, aber bereut habe ich es nie. Wenn man mitten drin ist, und eine Familie hat, die einen unterstützt, steht man das durch.“
Auch die Apotheke stehe hinter ihr: „Ich habe ein Super-Team, einen Super-Chef.“ Von vornherein sei klar gewesen, dass sie nebenbei arbeitet und irgendwann ganz aussteige. Seit 2013 arbeitet sie nur noch 30 Stunden in der Apotheke. Die Arbeitszeiten seien wie für sie gemacht. „Da wird nicht gemeckert, wenn ich Freitag zu einer Messe muss. Welche Apotheke macht das mit!“ Chef und Team freuten sich über jeden großen Artikel. Zuletzt portraitierte sie die „Vogue“ auf vier Seiten. „Es ist natürlich traurig zu gehen, ich hatte noch nie vorher so ein starkes Team, fast familiär“, sagt Bohn. Die Apotheke habe gar einen eigenen Garten. „Ich werde die Arbeit vermissen.“