Apotheker vs. Stadtverwaltung Katharina Lübke, 19.08.2014 12:26 Uhr
Unter den Apothekern in der Bonner Fußgängerzone rumort es, seit die Stadt den Großhändlern die Belieferung am Nachmittag verweigert. Dass der Versorgungsauftrag ignoriert und stattdessen auf Apotheken in Randlagen verwiesen wird, stößt auf Unverständnis. Nun rudert die Stadt zurück: Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) hat einen runden Tisch zur Apotheken-Anlieferung angekündigt.
Laut Nimptsch treffen in der Auseinandersetzung unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander: „Auf der einen Seite der Wunsch und die Notwendigkeit, Arzneimittel schnell verfügbar zu haben, auf der anderen Seite die Forderung, die Fußgängerzone ab mittags weitgehend frei von Fahrzeugen zu halten, was auch deutlicher Wunsch der Politik ist. Da müssen jetzt alle an einen Tisch.“
Hans Eduard Busch, der als Kurier für den Großhändler Phoenix an die Apotheken liefert, sieht das Gesprächsangebot positiv: „Ich bin optimistisch. Der Bürgermeister würde keinen runden Tisch einberufen, wenn er sich seiner Sache sicher wäre.“
Busch und sein Sohn Markus, der als Unterauftragnehmer für Gehe tätig ist, haben vor rund zwei Wochen Klage gegen die Stadt beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Vermutlich wolle der Bürgermeister die Sache vom Tisch kriegen, so Busch. Die Argumente sprächen klar für den Lieferanten. So hätten Taxis eine Ausnahmegenehmigung, ebenso wie die Post. Busch leert für die Post Briefkästen in der Innenstadt. „Dafür haben wir eine Genehmigung“, sagt er.
Firas Meeßen-Al-Hafez, Inhaber der Rhein-Apotheke, musste selbst schon häufiger die 30 Euro Strafe zahlen, weil er vor seiner Apotheke hielt, um Medikamente auszuladen. Die Entscheidung der Stadt kann er nicht nachvollziehen: „Wenn der Patient unzufrieden ist, geht er woanders hin. Oder er bestellt von zu Hause aus bei Versandapotheken.“
Viele Kunden würden vormittags zum Arzt gehen, dann ihre Bestellung beim Apotheker abgeben und die rund zwei Stunden Wartezeit in der Innenstadt bummeln und einkaufen. „Das ist für die Stadt Bonn auch gut“, so Meeßen-Al-Hafez.
Marlies Ingendoh von der Einhorn Apotheke sieht das Handeln der Stadtverwaltung als eine „bodenlose Unverschämtheit“: „Das ist skandalös! Ganz kleine Kombis liefern die Medikamente, da ist nun wirklich niemand gefährdet.“ Bereits am Samstagmorgen hätten sich rund zehn Kunden empört. Den Ausfall durch gestrichene Lieferungen schätzt Barbara Scholl von der Löwen-Apotheke als schwerwiegend ein: „Das wäre sehr schlecht, weil viele in der Mittagspause bestellen und das Präparat abends nach der Arbeit abholen“, sagt sie.
In den Vororten würden Apotheken am Mittwochnachmittag schließen, argumentiert Dr. Alexandra Raasch von der Münster-Apotheke. Die Innenstadt-Apotheken hätten dagegen auch Samstags bis 19 Uhr geöffnet. Ohne Belieferung sei das jedoch bedeutungslos. „Ich kann die Patienten nicht mehr versorgen. Ich werde durch die Stadt Bonn daran gehindert. Das Schlimmste ist, dass ich als Apothekerin meinen Versorgungsauftrag nicht erfüllen kann.“
Raasch betreibt ihre Apotheke in dritter Generation. Als ihr Großvater die Offizin führte, sei vor der Tür noch keine Fußgängerzone gewesen. Sie kritisiert die Entscheidung als „unfassbar“, es sei ein „absolutes Unding“, dass die Sondergenehmigung versagt wurde. Die Stadtpolitik richte sich gegen die Bürger. In der Innenstadt lebten und wohnten genügend Menschen: „Die brauchen die Apotheken in der Innenstadt.“
Das Gesprächsangebot des Oberbürgermeisters hält sie für einen guten Ansatz. Wichtig sei dabei, dass die Gesprächsrunde möglichst bald zusammenfinde und dass alle betroffenen Apotheker angehört würden. „Darüber hinaus befürchte ich, dass es schwer sein wird, einen Kompromiss zu finden, da ich als Apothekerin in dieser Lage meinen Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung nur erfüllen kann, wenn ich ganztags beliefert werde“, sagt sie. „In allen umliegenden Städten hat der Lieferant die Ausnahmegenehmigung bekommen“, sagt Raasch. Dies müsse der Normalzustand sein, findet sie.
Beim privaten Pharmagroßhändler Otto Geilenkirchen kennt man die Problematik etwa aus Aachen oder Mönchen-Gladbach. Je mehr die Innenstädte verkehrsberuhigt würden, desto häufiger gebe es das Problem, sagt Niederlassungsleiter Lothar Kämmerling.
In mehreren Städten und Kommunen erneuere und zahle der Händler jährlich die Ausnahmegenehmigung. „In den einen mehr, in den anderen weniger“, sagt Kämmerling. „Das gipfelt darin, dass man für eine einzige Hausnummer fürs Halten auf der Busspur eine Genehmigung braucht“, sagt er. In der Regel werde diese aber erteilt.
Kämmerling erinnert sich an einen Fall in Aachen vor rund zehn Jahren, in dem die Genehmigung verweigert wurde. „Wir haben die Apotheken mit ins Boot geholt“, sagt er. Die Apothekerkammer habe einen Brief aufgesetzt, in dem auf den Versorgungsauftrag hingewiesen wurde. Die Stadt habe die Notwendigkeit daraufhin eingesehen. „Wir haben uns bisher überall einigen können“, sagt er. Im aktuellen Fall ist bei der Apothekerkammer Nordrhein noch nichts eingegangen.