Pilze, Samen, Blätter – vor zehn Jahren warnten Behörden noch vor einer Biowelle bei Drogen. Auch manche Pflanzen, die bis dato in Apotheken erhältlich waren, sind es seit damals nicht mehr. Flächendeckend durchgesetzt hat sich der Natur-Rausch aber nicht. Allerdings gehen Ermittler davon aus, dass im Verborgenen weiter konsumiert wird. Und die Beliebtheit eines Krauts bleibt ungebrochen.
Exotische Drogen aus der Natur fallen Zoll-Fahndern nur noch selten in die Hände. Lediglich 80 Gramm spezieller Pilze und 16 Kilogramm der Kaudroge Kath stellten Ermittler nach aktuellen Zahlen des Landeskriminalamts (LKA) Hessen im Jahr 2016 sicher. Eine Ausnahme bleibt Cannabis, das ebenfalls zu den sogenannten biogenen Drogen gehört: Über 850 Kilo Cannabisharz, -kraut und -öl wurden beschlagnahmt.
Diese Zahlen ließen aber keine Rückschlüsse auf das Konsumverhalten zu, erklärt ein LKA-Sprecher. Man gehe von einer hohen Dunkelziffer aus. Das zeigen auch Großfunde, die immer wieder die Statistik sprengen. Erst am Donnerstag teilte das Zollfahndungsamt Frankfurt mit, dass drei Kath-Schmuggler festgenommen und 300 Kilogramm der Kaudroge sichergestellt worden seien. Doch unter dem Strich spielten Naturdrogen kaum noch eine Rolle, erklären die Polizeipräsidien in Darmstadt, Kassel und Frankfurt übereinstimmend.
Biogene Rauschmittel werden auch Biodrogen oder Eco Drugs genannt. „Die Besonderheit an biogenen Drogen liegt darin, dass sie in ihrer Zubereitung überwiegend aus Pflanzen oder tierischen Organismen gewonnen werden“, erklärt das LKA. Im Gegensatz zu synthetischen Rauschmitteln könnten sie ohne weitere Bearbeitungsschritte direkt vom Konsumenten aufgenommen werden und dann ihre psychoaktive Wirkung entfalten.
Früher konnten einige dieser Drogen auch ohne weiteres in Apotheken erworben werden. Der aus China stammende Meerträubel beispielsweise unterliegt erst seit 2006 der Rezeptpflicht. Meerträubel und andere Pflanzenbestandteile, die Ephedrin, Pseudoephedrin und andere Alkaloide mit amphetaminartiger Wirkung enthalten, unterliegen überdies dem Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG). Der einfache Zugang über das Internet oder sogar in der freien Natur machten die Drogen für Konsumenten interessant. Viele dieser Rauschmittel lagen zudem in einer rechtlichen Grauzone oder waren sogar legal. Vor zehn Jahren warnten Behörden deshalb vor einer Biowelle bei Drogen.
Doch die ist abgeebbt. In der Statistik verschwinden die registrierten Fälle mangels Masse. „Eine gesonderte Erfassung bezüglich der verschiedenen Pilzarten oder beispielsweise von Khat erfolgt nicht“, sagt LKA-Sprecher Löffler. Sie würden unter „Allgemeine Verstöße“ nach dem Betäubungsmittelgesetz zusammengefasst und davon gab es 2017 in Hessen gerade einmal 1827 Fälle bei einer Gesamtzahl von über 27.000 Rauschgiftdelikten.
Der Konsum der Biodrogen ist nach wie vor gefährlich: Er sei mit unkalkulierbaren Risiken verbunden, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Denn die Wirkstoffkonzentration könne stark schwanken und je nach individueller Verfassung und dem Kontext, in dem konsumiert wird, unterschiedlich ausfallen.
Die Hochzeit der Biodrogen sei um die Jahrtausendwende gewesen, sagt Jörg Röhrich, forensischer Toxikologe an der Uni Mainz. Der Renner unter den biogenen Drogen war damals der Azteken-Salbei. Einige Konsumenten seien damals „total ausgeflippt“. Der Salbei war in Fachgeschäften frei erhältlich – heute unterliegt er dem Betäubungsmittelgesetz.
Der Umgang mit Biodrogen sei nicht so einfach, wie oftmals gedacht: „Man muss wissen, wie man Auszüge herstellt“, sagt Röhrich, also wie Wirkstoffe extrahiert werden. Und zudem habe es auch nicht sehr viele geeignete Pflanzen gegeben. Ganz verschwunden sei das Phänomen aber nicht: „Wir haben immer wieder Fälle mit Leuten, die biogene Drogen konsumiert haben.“
Online ist die Biodrogen-Szene aktiv: In Foren werden Tipps ausgetauscht, welche Pulver und Pflanzensamen sich eignen. Geordert werden kann meist auf der selben Internetseite. Doch entweder sind Bestellungen selten oder die Versender lassen sich nicht erwischen. Denn der Zoll zieht kaum noch Pakete mit biogenen Drogen aus dem Verkehr. Die Zahl der Fälle sei gegenüber vor zehn Jahren zurückgegangen, sagte eine Sprecherin des Zollkriminalamts. Auch dort werden die biogenen Drogen nicht gesondert erfasst.
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