Bild: Bald in allen Apotheken Silvia Meixner, 01.07.2017 07:59 Uhr
Alarmstimmung bei der Apotheken Umschau: Die Bild-Zeitung hat erkannt, dass Apothekenthemen beim Volk gut ankommen. Gleich viermal sorgte sie in der vergangenen Woche mit Pharmaziethemen für Auflage. Ab 1. August soll deshalb die neue Bald-Zeitung mit Apotheken-A kostenlos in allen Apotheken ausliegen. Auch die Schweizer Boulevardzeitung Blick will auf den Zug aufspringen. Ihr geplantes Angebot für Apothekenkunden heißt, wie aus Zürcher Kreisen zu erfahren, konsequenterweise: Black.
Sex & Crime, jahrzehntelang erfolgreiches Konzept von Bild, hat offensichtlich ausgedient. Die Themen, die aus Deutschlands Apotheken kommen, sind ja auch wirklich spannender als irgendein Kölner Hinterhofmord oder Berliner Polizisten auf Dienstreise in Bad Segeberg, die sich nicht benehmen können.
Die Apo-News-Serie aus dem Hause Springer begann in dieser Woche mit „Wegen Vaginaltabletten zur Beichte“. In der Geschichte wurden skurrile Fragen aus dem Apotheken-Alltag präsentiert. Wie heißt das Land, in dem Frauen Angst haben, dass sie dem Pfarrer die Verwendung einer Vaginaltablette gestehen müssen? Absurdistan? Eriwan? Richtige Antwort: Bayern.
Danach wurde die Berichterstattung noch seriöser, das Boulevardblatt lobte alle Hamburger Apotheker, die ihren Patienten ein preiswertes Aspirin-Generikum empfehlen. Der Hersteller Bayer tobt: Es gibt kein Generikum zu Aspirin! Vermutlich ohne Rücksprache mit dem Hausbesitzer – der sitzt in U-Haft – unternahm Bild dann einen Streifzug durch den „Protzbau des Todesapothekers“. Der Pharmazeut aus Bottrop soll im großen Stil Zyto-Rezepturen verwässert und sich mit dem Gewinn sein Luxusleben mit Zehn-Millionen-Euro-Villa finanziert haben. Die Staatsanwaltschaft versucht derweil zu klären, wie viele Patienten womöglich an den Folgen seiner Handlungen sterben mussten. Die Whistleblower – eine PTA und der kaufmännische Leiter – waren bereits im Fernsehen zu sehen.
Dass es Apotheker auf Seite 1 der Bild-Zeitung schaffen, kommt relativ selten vor – und dieser Fall schmückt die Branche leider nicht. Apotheker sollen schließlich nicht am Tod verdienen, sondern heilen helfen. Das testete die Boulevardzeitung und legte noch einmal nach. „Urlaubsabzocke bei Stuttgarts Apotheken!“ Die Reporterin ließ sich „überflüssige Medikamente andrehen“ und war empört.
Jetzt müssen nur die PTA und Apotheker mitziehen, der klassische Bild-Leser erwartet natürlich zeitnah einen mittelgroßen Sex-Skandal aus der Offizin. Auch gut kommt Crime: Die Lehrerin, die Rezepte fälscht und das Geld in luxuriöse Handtaschen steckt. Der Rezeptfälscher, der eingewiesen wird, weil er den geklauten Stempel zurückbringt. Oder – mal was Rührendes – der Passant, der die vom Phoenix-Fahrer verlorene BtM-Tüte brav abgibt. Und eine Prise Angst: Paracetamol führt zu Verweiblichung. Na bitte, geht doch.
Wir hätten hier noch ein paar – reale und fiktive – Themenvorschläge: Immer gut kommt DocMorris. Der Konzern legte gerade die Karten auf den Tisch und plauderte offen über Zahlen. Alles Kalkül, es geht an die Börse und zwar mit Riesen-Nachfrage nach den Aktien gleich von Tag 1 an. Wer noch keine Vorstellungen hat, in welchen Dimensionen der Kapitalmarkt beim Stichwort Apotheke denkt, der sollte einen Blick hinter die Kulissen der Branche werfen. Klar, dass da nicht jeder mitziehen kann.
Jeder Apotheker weiß, dass online keinerlei Solidarität zu erwarten ist. Offline, also im richtigen Leben, funktioniert sie hingegen. Das beweist die Geschichte aus dem bayerischen Farchant: Als der Apotheker unerwartet stirbt, rettet sein Team die einzige Apotheke im Ort. Versuchen Sie das mal online!
Dass Apotheker wissen, wie man lange gesund bleibt, beweist Gustav Martin Wolfgang Liebe vermutlich so gut wie kein anderer. Mit 100 arbeitet der älteste noch tätige Apotheker Deutschlands immer noch, die Kunden der Löwen-Apotheke im brandenburgischen Bad Liebenwerda lieben ihren „Eisernen Gustav“. Da er leider nicht mehr richtig gut stehen und gehen kann, sucht er nun doch einen Nachfolger.
Am Donnerstag stand die Hauptstadt unter Wasser und auch im nahe gelegenen Cottbus steht so manchem das Wasser bis zum Halse. Im Streit der EU-Versandapotheke gegen Phoenix blinken die Zeichen auf Attacke, mit dem langjährigen Partner Phoenix hat es gewaltig gekracht, man trifft sich vor Gericht. Der neue Zuzahlungsclub Valerevital hat das Zeug, zum neuen Aufreger zu werden.
Auch in Gräfenhainichen wird gestritten. Gong, nächste Runde im Streit um den Verkauf von OTC-Arzneimitteln über Amazon. Der Münchener Apotheker Hermann Vogel jr. will gegen die Linden-Apotheke aus dem beschaulich klingenden Städtchen in der Nähe von Bitterfeld prozessieren. Zur Linden-Apotheke gehören nämlich mehrere Webshops, die über verschiedene Domains zu erreichen sind. Nach der erfolglosen Abmahnung geht es nun vor Gericht.
Vom Lande kommen unterschiedliche, teils verwirrende Nachrichten: Die Anthemis-Apotheke im bayerischen Ansbach ist so schön, dass der baldige Bald-Konkurrent Apotheken Umschau sie ablichten ließ. Und Heiko Walther aus Otzberg teilt mit, dass seine Preise um bis zu 50 Prozent unter DocMorris liegen. Wie jetzt? Sollte nicht der Versandhandel die Dorfis retten? Zumindest die, die nicht zu dumm dafür sind, wie der Chef des Anglervereins ABDA, Friedemann Schmidt, noch zu bedenken gab. Und auch nur die, die noch ins Internet kommen und nicht wie Beiersdorf und MSD von Hackern angegriffen werden.
Derweil heißt es aus Fulda: Auch die schönste Innenstadtlage nützt nichts, wenn es nicht mehr genügend Laufkundschaft gibt. Der Goldene Storch in der Fußgängerzone muss nach 40 Jahren das Lied vom Tod singen. Besser läuft‘s in Bielefeld, wo Apotheker Eckhard Haupt erst seine Bären-Apotheke umbaute und gleich danach eine Filialapotheke eröffnete. 100 Meter Luftlinie vom Haupthaus entfernt – auf der anderen Seite des Einkaufscenters. An ihm kommt keiner vorbei.
Andere Apotheker ziehen neuerdings nur mit ausgeklügeltem PR-Konzept um: Die Flora-Apotheke aus Herne schrieb groß „Die Flora wird umgetopft“ auf die Schaufensterscheiben. Schon war‘s Tagesgespräch. Nicht bundesweit, aber immerhin im Stadtteil Crange. Für eine Schlagzeile bei Bild, Bald oder Black reicht diese News leider nicht. Wer das als Apotheker schaffen möchte, muss sich da schon andere Kaliber ausdenken. Aber jetzt bitte nicht gleich im Affekt Chefin oder Kollegen erwürgen. Schönes Wochenende!