Behandlungsfehler

BGH kippt Zitronensaft-Urteil APOTHEKE ADHOC, 23.12.2010 13:59 Uhr

Berlin - 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach gegen einen ehemaligen Chefarzt einer nordrhein-westfälischen Klinik aufgehoben. Der Mediziner hatte die Wunden einer Patientin postoperativ mehrfach mit Zitronensaft behandelt. Die 80-jährige war daraufhin an den Folgen einer Wundinfektion verstorben - der Arzt wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Bewährung verurteilt.

Der Arzt hatte die Patientin vor der Operation nicht darüber aufgeklärt, dass er bei eventuell auftretenden Wunden neben Antibiotika auch Zitronensaft verwenden würde. Da er von der desinfizierenden Wirkung des Saftes überzeugt war, ließ er in der Stationsküche der Klinik in Wegberg Zitronen auspressen. Nachdem der Zustand der Frau sich nach der Zitronensaft-Behandlung dramatisch verschlechterte, entschied sich der Mediziner für eine zweite Operation der Wunden. Später starb die Patientin an einem septischen Herz-Keislauf-Versagen.

Das Mönchengladbacher Landgericht konnte zwar nicht feststellen, dass der Saft zum Tod der Frau geführt hat. Er verurteilte den Arzt jedoch, weil dieser die Patientin schon vor dem ersten Eingriff hätte aufklären müssen. Der Eingriff sei daher eine rechtswidrige Körperverletzung gewesen.

Diese Rechtsauffassung hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Arzt sei nicht verpflichtet gewesen, die Frau bereits vor dem ersten Eingriff über die Verwendung des Zitronensaftes zu informieren, so der BGH. Bei dem Risiko einer postoperativen Schädigung des Patienten müsse der Arzt den Patienten nur über die Risiken der Operation aufklären, „wenn dieser ein schwerwiegendes, die Lebensführung eines Patienten besonders belastenden Risiko anhaftet, etwa der Verlust eines Organs“, so die Erklärung des BGH.

Durch die Anwendung des Saftes sei „ausschließlich eine gewisse zusätzliche bakterielle Belastung verbunden“. Diese sei aber nicht mit der Gefahr für die künftige Lebensführung eines Patienten vergleichbar gewesen. Der Mediziner sei auch deshalb nicht zur Information der Patientin verpflichtet gewesen, weil schon die Erwähnung des unerprobten Einsatzes des Zitronensaftes bei der Frau zu Zweifeln an der Fachkompetenz des Arztes hätte führen können.

Trotzdem stellte der BGH fest, dass der Angeklagte die Frau vor der zweiten Operation über die Anwendung des Saftes hätte informieren müssen. Erst durch die Zweitoperation habe sich der Arzt schuldig gemacht. Eine Verurteilung basierend auf einer anderen Tatsachengrundlage erscheine daher noch möglich - diese müsse aber vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts erneut verhandelt werden.