BGH hebt Urteile zu Zimtkapseln auf Désirée Kietzmann, 15.02.2010 15:20 Uhr
Über die Frage, ob Zimt-Präparate Arzneimittel oder diätetische Lebensmittel sind, müssen die Oberlandesgerichte (OLG) Hamm und Celle neu entscheiden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Urteile zu den Produkten „Diabetruw“ (Truw Arzneimittel) und „Nobilin Gluco Zimt“ (Medicom) aus dem Jahr 2007 auf und verwies die Fälle zurück an die OLG-Richter.
Das OLG Hamm hatte Diabetruw als Arzneimittel eingestuft und den Vertrieb untersagt. Zur Begründung führten die Richter aus, das Produkt werde zu dem Zweck angeboten und beworben, die physiologischen Körperfunktionen zur Behandlung des Diabetes mellitus zu beeinflussen. Das Gericht war damit der Argumentation des Klagenden Verbands Sozialer Wettbewerb gefolgt. Nach Einschätzung des BGH sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, aber alle seine Merkmale und damit auch die pharmakologischen Eigenschaften zu berücksichtigen.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Knoblauchkapseln führt der BGH aus, dass Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken, nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden dürfen.
Dem BGH zufolge hat sich das OLG Hamm nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob die von Diabetruw bezweckte Senkung des Blutzuckerspiegels auch durch eine verzehrübliche und damit angemessene Menge Zimt über die normale Ernährung erzielt werden kann. Die Luxemburger Richter hatten 2008 das Knoblauch-Pulver nicht als Arzneimittel eingestuft, weil in der angegebenen Dosierung enthaltene Menge Allicin auch durch den Verzehr von 7,4 Gramm rohem frischen Knoblauch aufgenommen werden könne.
Sowohl bei Diabetruw als auch bei Nobilin entsprechen die empfohlenen täglichen Dosierungen etwa einer Menge von drei Gramm Zimt. Die Arzneimittel-Eigenschaft darf laut BGH nicht wie von den OLG damit begründet werden, der Verbraucher verzehre bei normaler Ernährung gewöhnlich nicht eine solche Menge an Zimt. Auch der EuGH habe unberücksichtigt gelassen, ob 7,4 Gramm Knoblauch zu den normalen Ernährungsgewohnheiten gehören.
Die Richter in Hamm und Celle müssen in den anstehenden Prozessen nun entscheiden, ob die von den Zimtpräparaten bezweckte physiologische Wirkung auch durch Aufnahme einer entsprechenden Menge an Zimt über die Ernährung erreicht werden kann.
Nach mehr als vier Jahren könnte dann endgültig geklärt werden, ob Diabetruw weiterhin als diätetisches Lebensmittel vertrieben werden darf. Der Hersteller ist angesichts der BGH-Entscheidung optimistisch: „Wir gehen von einem rechtsgültigen Urteil in unserem Sinne aus“, sagte Truw-Geschäftsführer, Dr. Eckhard Neddermann gegenüber APOTHEKE ADHOC. Wann die Entscheidungen der OLG fallen werden, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar.