Der Alltag zwischen Arbeit und Familie verlangt dem Körper viel ab. Um leistungsfähig, fit und gesund zu bleiben, greifen viele Deutsche zu Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). Der Trend wird vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kritisch betrachtet: Ein von vielen Menschen befürchteter Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen ist aus Sicht der Behörde unberechtigt. NEM seien oft überflüssig. Ausnahmen gebe es nur wenige.
Das BfR nutzte am vergangenen Donnerstag im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin die Chance, Verbraucher eine differenzierte Sichtweise zu NEM zu vermitteln. Nutzen und mögliche Risiken der Präparate wurden in dem Forum: „NEM – Ein Trend ohne Risiko?“ diskutiert. Es ging um die Kontrolle der Präparate, die gesundheitliche Risikobewertung der Inhaltsstoffe und die Erwartungshaltung bei den Verbrauchern.
BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andres Hensel vertrat einen klaren Standpunkt: „Bei einer abwechslungsreichen Ernährung erhält der Körper in der Regel alle Nährstoffe, die er braucht. Es gibt nur wenige Ausnahmen: beispielsweise Folsäure für Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere.“
Verbraucher sollen für einen achtsamen Umgang mit NEM sensibilisiert werden, denn der unkontrollierte Konsum sei mit gesundheitlichen Risiken verbunden. „Das Wissen ist für die Risikokommunikation wichtig, denn eine zu hohe Dosis an Vitaminen und Mineralstoffen kann in einigen Fällen der Gesundheit schaden“, sagte Hensel.
Calcium am Morgen, Magnesium am Abend, B-Vitamine, Fischöl, Selen, Folsäure oder Colecalciferol zwischendurch sind für das BfR eine unnötige Mischung. So könne eine überhöhte Dosierung von Vitamin D zu Nierensteinen und Nierenverkalkung führen. Das Sonnenvitamin zu substituieren, sei nur empfehlen, wenn eine unzureichende Versorgung nachgewiesen worden sei und der Bedarf weder durch die Nahrung noch durch die körpereigene Bildung erreicht werden könne. Unterversorgt sind laut BfR nur wenige Personengruppen, ein Risiko bestehe für mobilitätseingeschränkte, chronisch kranke und pflegebedürftige Menschen oder Personen mit dunkler Hautfarbe. Säuglinge bekomme im Rahmen der kinderärztlichen Versorgung über einen entsprechenden Zeitraum Vitamin D zur Rachitisprophylaxe verschrieben.sei
Kritisch wird auch Folsäure betrachtet. Das Vitamin aus dem B-Komplex wird in NEM und zur Anreicherung von Lebensmitteln verwendet. Das BfR empfiehlt die Einnahme nur für Frauen mit Kinderwunsch oder Schwangere im ersten Trimenon. Die Einnahme kann das Risiko des sogenannten offenen Rückens, dem Neuralrohrdefekt, verringern. Für die Allgemeinbevölkerung ist eine Substitution überflüssig. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für einen Nutzen oberhalb der bedarfsgerechten Versorgung. Natürliche Quellen sind zum Beispiel Spinat, Haferflocken, Milchprodukte wie Brie, Kichererbsen und Hühnerei.
NEM aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Flechtenextrakten werden als sogenannte Botanicals bezeichnet. Daten zur Sicherheit dieser Produkte sind nur in begrenztem Umfang verfügbar. Dies erschwert laut BfR eine Risikobewertung der aktiven Substanzen der Präparate und eine Festlegung der sicheren Verzehrmenge.
NEM sind als Tablette, Dragee, Pulver oder in flüssiger Form im Handel. Was viele Verbraucher nicht wissen – sie zählen zu den Lebensmitteln, sind also keine Arzneimittel und unterliegen keinem Zulassungsverfahren. Die Präparate werden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) registriert. Die Produkte dienen der Nahrungsergänzung; zur Heilung und Verhütung von Krankheiten sind sie nicht gedacht. Vitamine, Mineralstoffe, Pflanzenextrakte, Ballaststoffe, Aminosäuren oder Spurenelemente zählen zu den Inhaltsstoffen.
Hersteller dürfen demnach keine Gesundheitsversprechen geben und damit werben. Sie haften für die Sicherheit der Produkte. Überwacht werden der Verkehr, die Kontrolle der Produktbezeichnungen und die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen von der amtlichen Lebensmittelüberwachung der einzelnen Bundesländer.
Das Risiko für eine gesundheitsschädliche Wirkung von NEM könnte durch eine Festlegung von verbindlichen Höchstmengen der Inhaltsstoffe gemindert werden. Derzeit existiert jedoch weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene eine Regelung. Laut BfR ist eine EU-weite Regelung für gültige Höchstmengen in der Vorbereitung.
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