Bewaffneter Täter zündete Apothekenmitarbeiterin an Silvia Meixner, 16.10.2018 10:44 Uhr
Tag 1 nach der Geiselnahme im Kölner Hauptbahnhof. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, permanent kommen neue Details der Hintergründe der Horror-Tat ans Tageslicht. Der Täter verschanzte sich gestern Mittag in der Apotheke im Hauptbahnhof und nahm eine Angestellte als Geisel. Nach neuesten Informationen soll er die Geisel bereits angezündet haben, als das SEK ihn überwältigte. Er erlitt dabei einen Bauchschuss und wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert.
Für die Apothekenmitarbeiterin waren es Stunden der Angst. Nachdem der Täter in einer McDonald‘s-Filiale einen Molotowcocktail gezündet hatte, setzte sich die Sprinkleranlage in Gang. Ein 14-jähriges Mädchen wurde durch den Molotowcocktail verletzt, ihm gelang die Flucht. Daraufhin stürmte der Täter aus dem Schnellrestaurant in die benachbarte Apotheke im Hauptbahnhof und nahm eine Mitarbeiterin als Geisel. Rund um den Bahnhof herrschte für mehrere Stunden Ausnahmezustand. Zu dem Vorfall möchte sich aktuell niemand aus der Apotheke äußern.
Klaus Rüschenschmidt, Einsatzleiter der Polizei Köln, sagte im Rahmen einer Pressekonferenz: „Zeugen sagten aus, dass der Täter gegenüber Passanten angab, zu einer Terroristengruppe namens Daesh zu gehören.“ Politiker in Frankreich und den USA bezeichnen den sogenannten Islamischer Staat häufig als Daesh und meinen damit ISIS.
Der Täter verschanzte sich mit der Geisel im hinteren Bereich der Apotheke, der von außen nicht einsehbar ist. „Der Täter hatte Gaskartuschen und Brandbeschleuniger bei sich. Wir haben die Marschrichtung ausgegeben, dass ein Notzugriff spätestens dann durchgeführt wird, wenn dort brennbare Flüssigkeiten ausgebracht werden. Das haben die Einsatzkräfte, die mittlerweile in der Apotheke waren, um 14.50 Uhr festgestellt.“ Daraufhin wurde der Zugriff auf den Täter durchgeführt. Wie die Bildzeitung berichtet, hatte der Geiselnehmer Gasflaschen mit Stahlkugeln präpariert, um im Falle einer Explosion die Wirkung zu verstärken.
Rüschenschmidt schildert die dramatischen Minuten für die Apothekenmitarbeiterin, die als Geisel genommen worden war: „In der Situation des Zugriffs hat der Täter die Geisel massiv bedroht, er hat versucht, sie anzuzünden. Der Täter hielt eine Schusswaffe in der Hand, wir wissen bisher nicht, ob sie echt war oder nicht, sie sah jedenfalls aus wie eine echte Schusswaffe. Die Einsatzkräfte schossen auf den Geiselnehmer, es gab mehrere Körpertreffer, der Täter sackte zusammen.“ Er wurde vor dem Bahnhof schließlich reanimiert und in der Uniklinik Köln stundenlang notoperiert.
Einsatzleiter Rüschenschmidt: „In der Apotheke fanden wir bei der Durchsuchung im hinteren Bereich unter anderem mehrere Gaskartuschen, zwei davon waren mit Klebeband miteinander verbunden, eine oder zwei waren im Verlauf der Geiselnahme an der Geisel befestigt.“
Die Geisel überstand die qualvollen Stunden körperlich weitgehend unverletzt. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. „Wir wissen noch gar nicht alles, es wird wahrscheinlich noch ein paar Tage dauern, bis wir nähere Details haben“, sagte der Einsatzleiter im Rahmen der Pressekonferenz.
Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus: Es gab während der Geiselnahme ein Telefonat aus der Bahnhof-Apotheke zu einer anderen Apotheke. Dort hielt sich zufällig ein Kunde auf, der Arabisch spricht. Er sprach mit dem Geiselnehmer und nahm seine Forderungen entgegen.
In der Apotheke fanden die Einsatzkräfte auch ein Ausweisdokument, von dem derzeit geprüft wird, ob es dem Geiselnehmer zuzuordnen ist. Die Person ist seit 2016 in Köln und hat eine Duldung bis zum Jahr 2021. Ein Polizeisprecher: „Diese Person war relativ umfangreich in verschiedenen Deliktsfeldern kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten, darunter Bedrohung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Diebstahl und Betrug.
Die Person ist bislang nicht als aktiv Handelnder im Kontext islamistischer Terrorismus in Erscheinung getreten, hat aber der Polizei einen Hinweis gegeben, die uns Veranlassung gab, gegen eine andere Personalien einen sogenannten Prüffall Islamismus anzulegen.“