Rezeptfälscherbande

Berufsverbot vergessen: BGH kassiert Apotheker-Urteil Patrick Hollstein, 06.04.2022 07:48 Uhr

Der BGH hat ein Urteil gegen den Berliner Apotheker Ulrich C. kassiert. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Immer noch beschäftigt der Prozess gegen die Rezeptfälscherbande um Klaus H. die Berliner Gerichte, mehrere Apotheker mussten sich bereits wegen ihrer Beteiligung am groß angelegten Abrechnungsbetrug verantworten. Doch jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) überraschend ein Urteil kassiert: Das Landgericht Berlin (LG) hatte demnach vergessen, ein mögliches Berufsverbot gegen Apotheker Ulrich C. strafmindernd zu berücksichtigen.

Zwischen August 2013 und Juni 2017 soll der Apotheker wissentlich und gegen Kick-Back-Zahlungen gefälschte Rezepte eingelöst und abgerechnet haben; die Medikamente sollen dann mit Rabatt an andere Apotheken weiterverkauft worden sein. Auch Ulrich C. soll Medikamente übernommen und weiterveräußert haben, von denen er wusste, dass sie mit gefälschten Rezepten in anderen Apotheken erworben wurden. In beiden Szenarien soll es vor allem um Hochpreiser gegangen sein. Den Gesamtschaden für die Krankenkassen bezifferte die Staatsanwaltschaft auf 887.000 Euro.

Das LG hatte den Apotheker im vergangenen Jahr wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges und Urkundenfälschung in 28 Fällen sowie wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem wurde angeordnet, den entstandenen Schaden aus dem Vermögen des Apothekers zu ersetzen.

Berufsverbot als doppelte Strafe

Doch die Anwälte des Apothekers hatten Revision eingelegt und laut BGH zutreffend geltend gemacht, die Ausführungen zur Strafzumessung ließen nicht erkennen, ob das LG mögliche berufsrechtliche Konsequenzen berücksichtigt habe. Dies sei aber geboten, weil laut Strafgesetzbuch (StGB, § 46 Abs. 1 Satz 2) sämtliche Wirkungen in Betracht gezogen werden müssten, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten seien. Hierzu zählen laut BGH auch solche speziellen Maßnahmen, die sich bei Berufsgruppen wie Apothekern auswirken können.

Da er die Straftaten unter Ausnutzen seiner beruflichen Stellung begangen habe, liege nahe, dass er Approbation und Betreibserlaubnis verlieren könne. Dass das LG zwar die Anordnung eines Berufsverbotes geprüft und im Ergebnis abgelehnt habe, genüge der Erörterungspflicht nicht, so der BGH: „Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung der berufsrechtlichen Folgen auf mildere Strafen erkannt hätte.“

Die Sache geht daher zurück ans LG, wo auch noch ergänzende Feststellungen möglich sind – „sofern sie den bisherigen nicht widersprechen“. Für die Richter in Berlin gibt es noch einen deftigen Seitenhieb: Verteidigung und Generalbundesanwalt hätten im Urteil zurecht weitere Mängel ausgemacht: So seien Einzelstrafen teilweise nicht festgesetzt worden, die Schadenshöhe zur Bestimmung von Einzelstrafen unzutreffende eingeordnet worden und Einzelstrafen ohne Schuldspruch verhängt worden. All diese werde das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht „zu vermeiden wissen“, so die klare Botschaft.

Die Bande soll über Jahre hinweg Rezepte gefälscht, eingelöst und abgerechnet und die Ware weiter verkauft haben und die Kassen zwischen 2013 und 2017 um mehr als 2,5 Millionen Euro betrogen haben. Klaus H. hatte selbst in Berlin zeitweise mehrere Apotheken betrieben, die letzte jedoch 2010 schließen müssen. Die Entscheidung, Geld mit gefälschten Rezepten für hochpreisige Medikamente zu machen, fällte er nach eigenen Angaben aufgrund seiner schweren wirtschaftlichen Lage.

Hauptäter belastet Apotheker

Während des Prozesses hatte Klaus H. schwere Vorwürfe gegen eine Reihe von Berliner Apothekeninhabern erhoben. Allein in der Anklageschrift wurden mehrere Dutzend Apotheken genannt, in denen die gefälschten Rezepte eingelöst wurden. Einige von ihnen sollen eingeweihte Komplizen gewesen sein, andere wiederum durch mangelnde Sorgfalt auf Fälschungen hereingefallen sein. Daraus ergaben sich mehrere weitere Ermittlungsverfahren.

Klaus H. wurde zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, seine Lebensgefährtin Galya S. erhielt vier Jahre und vier Monate, zwei weitere Mittäter drei Jahre beziehungsweise drei Jahre und vier Monate. Ein fünfter Angeklagter erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, weil er ein einziges gefälschtes Rezept für die Bande angenommen und Medikamente abgeholt hatte. Zwei Apotheker wurden zu 1,5 Jahren auf Bewährung verurteilt, ein weiterer Apotheker steht noch vor Gericht: Mohammed E. soll wissentlich gefälschte Rezepte im Wert von 1,5 Millionen Euro angenommen und die entsprechenden Arzneimittel an unbekannte Mittelspersonen herausgegeben haben.