Berliner SPD-Fraktionschef für Cannabis-Freigabe dpa, 21.02.2018 08:33 Uhr
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat sich für einen liberaleren Umgang mit Cannabis ausgesprochen. Seiner Meinung nach sollten Apotheken Cannabis frei verkaufen können – und nicht nur wie bisher auf Rezept als Medizin. „Es ist verrückt, dass Polizisten kiffenden Touristen in Berlin hinterherlaufen statt sich auf die Kriminalitätsbekämpfung zu konzentrieren”, sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur. Polizisten würden für andere Aufgaben gebraucht.
Im Bund wollen FDP, Linke und Grüne auch eine Freigabe für den generellen Konsum erreichen. Am Donnerstag werden ihre Anträge im Bundestag debattiert. Saleh sprach sich dafür aus, Cannabis kontrolliert zu verkaufen – er ist aber zum Beispiel nicht dafür, dass jeder die Pflanze anbauen darf. „Wir brauchen auf Bundesebene eine neue Gesetzgebung”, forderte auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Thomas Isenberg. Wenn Cannabis kontrolliert in Apotheken oder an Verkaufsstellen abgegeben würde, wüssten die Menschen beispielsweise, was enthalten sei. Bei einem kontrollierten Verkauf sei auch eine Beratung möglich. Der Konsum müsse für Jugendliche aber ebenso verboten bleiben wie Werbung für Cannabis.
Cannabisprodukte gehören zu den ältesten bekannten Rauschmitteln und sind die nach Tabak und Alkohol hierzulande gängigsten Drogen. „Ich will kein Kiffer-Idyll hochziehen. Man muss auch auf die Gefahren hinweisen und mehr in Prävention und Jugendschutz investieren”, sagte Isenberg. Er appellierte aber an die SPD-Bundestagsfraktion, sich „keine Scheuklappen aufzusetzen”. Die Grünen wollen im Bundestag den Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz vorlegen.
Die FDP fordert die Genehmigung von Modellprojekten, um die kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel zu erforschen. Die Linke zielt darauf ab, bei geringer Menge auf Strafverfolgung zu verzichten. Alle drei Fraktionen eint die Überzeugung, dass der Kampf gegen den Konsum des Rauschmittels durch Strafe und Repression gescheitert sei.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sieht das anders. Eine Freigabe für den Freizeitkonsum lehnt sie ab, da mit steigender Verfügbarkeit auch der Konsum steige. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hatte dagegen zuletzt eine komplette Entkriminalisierung von Konsumenten gefordert. Denn meist würden nur diese erwischt – nicht aber die Drahtzieher des Handels.
Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte in den vergangenen Jahren vergeblich versucht, den kontrollierten Verkauf von Cannabis durchzusetzen. Manche hofften, damit die Drogenkriminalität etwa im Görlitzer Park einzudämmen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte aber eine Absage: Der Verkauf zu Genusszwecken sei unvereinbar mit dem Betäubungsmittelgesetz. Coffee-Shops wie in Amsterdam waren vom Tisch.
Die SPD müsse sich nun im Bund für eine kontrollierte Freigabe einsetzen, forderte Isenberg, mindestens müsse sie aber Modellprojekte ermöglichen. Denkbar wäre aus seiner Sicht, in einigen Apotheken Cannabis an Projektteilnehmer zu verkaufen – auch um zu erforschen, ob Nebenwirkungen auftreten oder ob sich die Konsummengen verändern. Der Senat hatte sich im Sommer einer Bundesratsinitiative zur Erlaubnis von Cannabis-Modellversuchen angeschlossen.
Auch für wissenschaftliche Modellversuche mit kontrollierter Cannabis-Abgabe ohne medizinischen Grund müsste allerdings das Betäubungsmittelgesetz, das Drogen verbietet, geändert werden. Cannabis kann entspannen, aber auch Nebenwirkungen haben: Denkstörungen und Konzentrationsmangel, in seltenen Fällen Unruhe, Angst oder Verfolgungswahn. Wer es stark und regelmäßig konsumiert, riskiert wie bei Alkohol psychische Abhängigkeit.
In der Berliner SPD gibt es unterschiedliche Meinungen zur Legalisierung von Cannabis. Die Sozialdemokraten hatten dort 2015 in einer Mitgliederbefragung zum Wahlkampf eine Legalisierung für Erwachsene abgelehnt - mit einer knappen Mehrheit. Regierungschef Michael Müller (SPD) äußerte sich vor Kurzem skeptisch. „Ich sehe das persönlich sehr kritisch”, sagte Müller Anfang Februar in Den Haag. Er habe in seinem Bekanntenkreis miterlebt, dass Hasch „eine Einstiegsdroge für härtere Drogen war”. Müller räumte jedoch ein, dass es gute Argumente für eine Legalisierung gebe, wie die Entkriminalisierung der Konsumenten und eine Entlastung von Polizei und Justiz.