Berlin

Acht Polizisten in der Offizin Maria Hendrischke, 03.07.2015 14:04 Uhr

Fatale Verwechslung: Ein Mann hielt die Tochter von Apothekenkunden für ein vermisstes Mädchen. Apothekeninhaber Norbert Peter versuchte zu vermitteln. Foto: Burger Apotheke
Berlin - 

Eigentlich war es eine ganz normale Woche für die Burger Apotheke in Berlin. Doch am Donnerstag um 15.30 Uhr betrat ein Paar mit kleiner Tochter den Verkaufsraum. Ihnen war ein Mann gefolgt: Er hielt das Mädchen für die vermisste Inga aus Sachsen-Anhalt. Apothekeninhaber Norbert Peter versuchte zu vermitteln. Als die herbeigerufene Polizei den Mann nach dem Ausweis fragte, eskalierte die Situation.

„Ich wurde von meinen Angestellten auf die Familie und den Mann aufmerksam gemacht“, berichtet Peter. Der Mann habe nur kurz in der Tür gestanden und sich dann umgedreht, um vor der Apotheke zu warten. „Die Eltern erzählten mir aufgeregt, dass er auf der Straße versucht hatte, ihre Tochter anzufassen. Die Familie fühlte sich bedroht, daher sind sie in die Apotheke gekommen: Das war für sie eine Zuflucht“, so Peter.

Der Apotheker sprach daraufhin mit dem Mann. Der erklärte, dass er sehen möchte, ob das kleine Mädchen noch ihre Vorderzähne habe. Auf Nachfrage Peters fügte der Mann hinzu, dass er das Mädchen im Vorschulalter für die kleine Inga halte, die im Mai in einem Waldstück im Stendaler Ortsteil Wilhelmshof spurlos verschwand. Im Fahndungsaufruf steht, dass Inga eine große Zahnlücke hat.

Peter wog ab: „Einerseits wollte ich die Familie vor dem Mann schützen, andererseits konnte ich seine Erklärung nicht sofort von der Hand weisen. Er hätte Recht haben können.“ Hinzu kam, dass die Familie dem Apotheker zuvor auf Englisch geschildert hatte, dass sie auf dem Weg zu einem Zahnarzt sei. „In Anbetracht der Situation kam mir das etwas suspekt vor, gerade die Frage nach der Zahnlücke und dann die Suche nach einem Zahnarzt“, so Peter.

Daher bat er den Mann, vor der Apotheke zu warten. Die Familie entschloss sich währenddessen, die Polizei zu rufen. Peter recherchierte im Büro im Internet nach Fotos der vermissten Inga und verglich sie mit dem Mädchen in der Apotheke: „Ähnlichkeit war zwar da, aber die Haarfarbe passte nicht. Doch leider sind die Fotos sehr unscharf.“

Schließlich trafen zwei Polizisten ein. Der Mann wurde nun ebenfalls in die Apotheke gebeten. Als die Beamten ihn nach einem Ausweis fragte, habe der Mann sich wohl bedroht gefühlt, vermutet Peter: „Er wollte das nicht und begann, um sich zu schlagen. Die Polizisten mussten ihn zu Boden ringen.“ Als der erste Aufsteller umkippte, wiesen sie Peter an, Verstärkung anzufordern.

„Weitere sechs Polizisten kamen dann in die Apotheke. Den Mann konnten sie schließlich überwältigen“, berichtet Peter. „Es ist super, wenn man so aufmerksam ist und Vermisstenmeldungen wirklich nachgeht. Aber an der Umsetzung ist es diesmal gescheitert“, fasst Peter den Vorfall zusammen. Bei dem Mädchen habe es sich um die Tochter gehandelt, nicht um Inga.

Es habe noch eine Weile gedauert, bis der Mann von der Polizei aus der Offizin begleitet wurde. Bis dahin hatten ihn zwei Beamte in einer Ecke des Verkaufsraums festgehalten. „Das war für die Kunden auch eine seltsame Situation“, sagt Peter. Er habe sich zunächst kaum auf die Beratung konzentrieren können.

Dennoch: „In solchen Situationen funktioniert man einfach“, so Peter. „Außerdem haben Apothekenmitarbeiter ja sozusagen von Berufs wegen ein Helfersyndrom.“ So sei es für ihn und seine Mitarbeiter selbstverständlich gewesen, die Familie in der Apotheke zu schützen.

Die fünfjährige Inga aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt ist im Mai spurlos verschwunden. Zuletzt hatte sie bei einem Besuch in Stendal zusammen mit anderen Mädchen in einem Wald Holz für ein Lagerfeuer gesammelt. Inga ist etwa 1,20 Meter groß, hat blonde Haare, blaue Augen und eine große Zahnlücke.