Wenn Standesorganisationen neue Projekte planen, dauert das meist länger – wie zum Beispiel beim ABDA/KBV-Modell, das im Juli mit mehr als einem Jahr Verspätung starten soll. Derweil entstehen in den Apotheken zahlreiche Initiativen für eine bessere Arzneimittelversorgung. Eine davon ist die „Apothekensprechstunde“, die Katrin Kuchenbuch seit rund einem Jahr in der Marien-Apotheke im nordrhein-westfälischen Stolberg anbietet. Am Mittwochnachmittag, wenn die Apotheke eigentlich geschlossen hat, können sich Patienten mit Fragen zur Medikation an die Pharmazeutin wenden.
Kuchenbuch beschäftigte sich seit 2003 mit der pharmazeutischen Betreuung von Altenheimen. Seit damals und bis heute schult sie Altenpfleger in Medikamentenkunde und führt Stationsbegehungen durch. Vor vier Jahren begann sie eine Weiterbildung zur Apothekerin für Geriatrische Pharmazie, die sie erfolgreich abschloss. „Ich wollte mich mit diesem Wissen einbringen“, sagt sie heute.
Deshalb hat sie ihrer Chefin die Apothekensprechstunde vorgeschlagen. Apothekenleiterin Veronika Witt-Ibrom sei zunächst skeptisch gewesen, erzählt Kuchenbuch. Sie habe befürchtet, die Ärzte in der Nachbarschaft zu verstimmen. „Ich hab ihr gesagt: Die übernehme ich“, so Kuchenbuch. Sie habe den Medizinern ihr Projekt vorgestellt – und die hätten es gut gefunden.
Heute arbeitet Kuchenbuch oft mit den Ärzten zusammen, zum Beispiel, wenn sie ein Problem in der Medikation ihrer Patienten findet. Dann ruft sie an, trägt den Fall und ihre Bedenken vor und fragt nach. Manchmal stimmen die Ärzte ihr zu und ändern die Medikation, manchmal erklären sie Kuchenbuch auch die Gründe für die scheinbar unpassende Kombination verschiedener Medikamente. „Ich habe noch nie Probleme gehabt“, sagt die Apothekerin mit Blick auf die Zusammenarbeit.
Die Apothekensprechstunde nutzt Kuchenbuch, um sich Zeit für die Patienten zu nehmen. „Natürlich wird auch in der Offizin gut beraten, aber ich kann nicht so tief in ein Thema eindringen, wenn hinter dem Patienten schon zwei weitere stehen und rufen, dass ihr Bus gleich kommt“, so die Apothekerin.
In die Sprechstunde bringen die Patienten oft ihren gesamten Medikamentenbestand, aber auch Einnahmepläne, Krankenhausentlassberichte oder Laborwerte. All das analysiert die Apothekerin und erklärt den Patienten oft erst einmal in Ruhe, welche Arzneimittel gegen welche Erkrankungen eingenommen werden.
Im Gespräch erschließen sich manche Probleme sofort, aber bei manchen geht die Arbeit laut Kuchenbuch erst nach der Sprechstunde richtig los: Da müssten Recherchen angestellt und weitere Termine vereinbart werden. Neben diesem klinischen Medikationsmanagement gibt Kuchenbuch auch Empfehlungen zu OTC-Präparaten. Oft fungiert sie als Navigator im Gesundheitssystem, hilft etwa beim Finden einer Klinik. „Die, die bei mir waren, waren immer dankbar“, so Kuchenbuch. Für manche sei die ausführliche Beratung besser als mancher Arztbesuch.
Einmal pro Woche bietet Kuchenbuch die Sprechstunde an, üblicherweise melden sich ein oder zwei Patienten an. Manchmal macht die Apothekerin auch einen Hausbesuch, und erklärt dann den Angehörigen oder Pflegern, was es mit der Medikation eigentlich auf sich hat. Dies sei aber die Ausnahme.
Der Service ist für die Patienten kostenlos. Finanziert wird er von Kuchenbuchs Chefin, die ihrer Mitarbeiterin die Räume zur Verfügung stellt und sie für die Zeit bezahlt. Auch aus diesem Grund war die Freude über den mit 3000 Euro dotierten Zukunftspreis Öffentliche Apotheke, den Kuchenbuch Anfang Februar verliehen bekam, groß.
Über die Aufmerksamkeit freut sich das Team der Marien-Apotheke ebenfalls: In der Lokalpresse wurde über das Projekt und die Preisverleihung berichtet. Kuchenbuch hofft nun, dass künftig noch mehr Patienten ihre Sprechstunde nutzen.
APOTHEKE ADHOC Debatte