Nicole Belfiore und Erald Hasanbelli haben eine bewegte Zeit hinter sich: Das Ehepaar hat zu Beginn des Jahres die Apotheke Jesingen in Kirchheim unter Teck übernommen und wurde damit vor kleine und große Herausforderungen gestellt: Denn beide leben erst seit 2015 in Deutschland. Für alle Seiten ist die Übernahme der Apotheke ein Erfolg.
Studiert haben Belfiore und Hasanbelli im italienischen Triest. Dort haben sich die beiden auch kennengelernt. Belfiore ist gebürtige Italienerin, Hasanbelli kommt aus Albanien. „Es war schnell klar, dass wir nach dem Studium nicht in Italien bleiben werden“, erklärt Belfiore. „Wir wollten Erfahrungen sammeln.“ Als zukünftige Heimat kamen vor allem die nordeuropäischen Länder in Frage, Belfiore selbst hat Verwandtschaft in der Schweiz. „Wir dachten, wir probieren es einfach, obwohl wir kein Wort Deutsch konnten“, lacht die Apothekerin.
Nachdem die Wahl auf Deutschland gefallen war, musste also zunächst ein Deutschkurs belegt werden „Für ein Level-up muss man auch mal eine neue Sprache lernen“, meint Belfiore. Anfang 2015 starteten die beiden mit ihrem Intensivkurs – mindestens vier Stunden pro Tag wurde die Sprache gelernt. Gleichzeitig absolvierten beide ein Teilzeitpraktikum in einer Apotheke. „Das war schon sehr intensiv“, berichtet Belfiore. Es sei wie ein Sprung ins kalte Wasser gewesen – „aber so lernt man schnell.“ Bereits im Oktober erhielten beide ihre Approbation in Deutschland. „Damals war das noch einfacher als heute“, meint die Apothekerin. Da Italien zur EU gehört, mussten beide keine erneute Prüfung ablegen, sondern lediglich den Sprachkurs erfolgreich absolvieren. Ab November duften beide als Apotheker arbeiten.
Irgendwann kam dann der Wunsch nach der Selbstständigkeit – vor allem von Hasanbelli. „Mein Mann wollte schon immer selbstständig sein“, erklärt die Apothekerin. „Ich bin ihm dann gefolgt“, lacht sie. Nachdem die beiden sich einige Apotheken angeschaut hatten und nichts passendes dabei war, fanden sie im vergangenen Jahr schließlich die Apotheke in Jesingen. „Sie hat uns sofort gefallen“, berichtet Belfiore. Die mittelgroße Landapotheke konnte unter anderem mit ihrem Standort punkten: „Wir wollten nicht in die Großstadt und freuen uns über die zahlreiche Stammkundschaft.“ Die persönliche Bindung zur Kundschaft sei dem Ehepaar sehr wichtig.
Die bisherige Inhaberin Petra Schwenk war ebenfalls erfreut über die schnelle Einigung. „Es ist schließlich nicht mehr selbstverständlich, einen Nachfolger zu finden“, meint Belfiore. Gerade in kleineren Landapotheken sei es oft schwierig, sich zu behaupten. Im Dezember fand schließlich eine Übergangsphase statt: Belfiore und Hasanbelli machten sich tageweise mit ihrem neuen Arbeitsort vertraut und lebten sich schon ein wenig ein. Im Januar ging schließlich der Verkauf über die Bühne.
Für die Mitarbeiter ist die Übernahme ebenfalls ein Erfolg – denn alle zwölf durften bleiben. „Wir waren sehr froh darüber und haben direkt klargestellt, dass keiner Angst haben muss, seinen Job zu verlieren“, erklärt Belfiore. Denn dadurch sei der Neuanfang wesentlich leichter gefallen. „Die Mitarbeiter kennen alle Abläufe und natürlich auch die Kundschaft.“ Sie ist überzeugt: Ohne die Unterstützung hätte vieles nicht so gut geklappt. „Obwohl wir jetzt die Chefs sind, müssen wir noch viel lernen“, lacht die junge Apothekerin.
Für einige Kunden war der Verkauf zunächst eine Überraschung: Denn Schwenk hatte vorher nicht groß angekündigt, sich zurückzuziehen und in den Ruhestand zu gehen. „Es war für manche schon ein kleiner Schock“, lacht Belfiore. Dennoch sei das Ehepaar mit offenen Armen empfangen worden, schließlich sei auch die Kundschaft froh, dass die Apotheke weiter bestehen bleibe. Belfiore und Hasanbelli sind im Dezember schließlich auch in den Ort gezogen: „Wir wollen, dass die Kunden uns kennenlernen und als Bürger mit der Apotheke wachsen“, erklärt die Apothekerin.
Der Kauf einer weiteren Apotheke sei derzeit nicht geplant: „Ich möchte Apothekerin bleiben – wenn Filialen dazukommen, verlagern sich die Bereiche häufig und die Bürokratie nimmt überhand“, findet die Italienerin. Auch der Kauf der jetzigen Apotheke sei in Anbetracht der aktuellen Situation schon ein kleines Risiko gewesen. „Alleine hätte ich das nicht gemacht“, gibt Belfiore zu. Es sei jedoch ein wesentlicher Vorteil, zu zweit zu sein: „Wir sind vom Typ Mensch ganz unterschiedlich und ergänzen uns gut. Das erleichtert viel.“ Die Schwerpunkte der Apotheke liegen im Bereich Naturheilkunde und Homöopathie, auch die Spagyrik wurde seit kurzem in das Sortiment aufgenommen. Da Hasanbelli in den Bereichen orthomolekulare Medizin, Darmgesundheit und Ernährungsberatung spezialisiert ist, sollen diese Bereiche in Zukunft weiter ausgebaut werden. „Wir werden das nach und nach umsetzen“, meint seine Frau. Nun gilt es jedoch erst einmal, sich weiter einzuleben.
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