Apotheker Dr. Hans-Martin Hirt hat sich der Heilpflanze Artemisia annua – dem Einjährigen Beifuß – verschrieben: Seit Jahren forscht er an der Heilpflanze und hat gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation eine optimierte Form der Pflanze geschaffen. Als christlicher Entwicklungshelfer stellt er den Beifuß auch als Therapieoption für Malaria in den Fokus. Doch nun rücken ihm die Behörden zu leibe.
Der Beifuß ist schon lange als Heilpflanze bekannt. Den zahlreichen Inhaltsstoffen werden verschiedene Wirkungen zugesprochen. Eine wichtige Entdeckung war die Isolation der Substanz Artemisin im Jahr 2015 – sie kann gegen die Malaria eingesetzt werden.
Hirt beschäftigt sich als christlicher Entwicklungshelfer bereits seit Jahrzehnten mit dem Beifuß, wie der Evangelische Pressedienst (epd) berichtet. Er erforschte die Wirkung und sorgte für eine Verbreitung der Heilpflanze – vor allem in ärmeren Ländern. Denn dort sieht er den Beifuß als günstiges Heilmittel für Malaria und andere Krankheiten an. Gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation züchtet er sogar eine optimierte Variante. Der Anbau wird vom Land Baden-Württemberg bezuschusst. Für sein Engagement erhält Hirt mit seinem Team zahlreiche Ehrungen.
Doch all das war, bevor Artemisia-Produkte 2018 in der Novel-Food-Verordnung als „gefährlich“ eingestuft wurden. Der Verkauf von entsprechenden Produkten hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen – mittlerweile gehen die Behörden gegen die Verkäufer vor. Auch Hirt bekam die Auswirkungen zu spüren: Seine Bestände wurden durch das Landratsamt Waiblingen versiegelt, die Geschäftsräume durchsucht. Der Grund: Ein angeblicher Verstoß gegen die Novel-Food-Verordnung der EU.
Rund eine Tonne der Heilpflanze lagert aktuell in seinen Räumlichkeiten – der Wert beträgt rund 70.000 Euro. Nähern darf sich der Apotheker seinen Pflanzen nicht. Das Landratsamt will, dass die Bestände vernichtet oder in Nicht-EU-Länder exportiert werden. Doch damit nicht genug: Wegen „Übertretens des Verkaufsverbots“ besteht eine Strafandrohung von weiteren 50.000 Euro. „Außerdem behalten sich die Behörden eine Vermögensabschöpfung für die seit Februar erfolgten Verkäufe vor“, so der epd. Hirt zufolge könnten es noch einmal 50.000 Euro sein. „Ich soll bankrottisiert werden“, ist sich der Pharmazeut sicher.
Er will die Klage nicht hinnehmen. Beim Stuttgarter Verwaltungsgericht hat er eine einstweilige Anordnung beantragt: Denn er selbst besorge den Verkauf der Heilpflanze nicht, sondern die Firma „teemana“. Allerdings stellt nach bisherigem Stand das Aufziehen der Pflanze kein Verbot dar. Die Polizei habe somit seine Bestände nicht versiegeln dürfen, so der Pharmazeut.
Teemana wurde der Verkauf durch das Landratsamt verboten. Der Rechtsstreit endete im Februar 2021 mit einer Niederlage für die Beifuß-Züchter. Auf der Homepage des Unternehmens wird ebenfalls über das Verkaufsverbot informiert: Es habe ein „regelrechter Überfall“ in der privaten Wohnung stattgefunden, schildert Geschäftsführerin Irina Baumann den Vorfall. „Uns wurde höflich nahegelegt zu kooperieren, da sonst unsere ganze Wohnung auf den Kopf gestellt werden würde.“
„Wir kamen uns wirklich vor wie Schwerverbrecher und konnten nicht fassen, was da geschah.“ Zur selben Zeit hätten sich entsprechende Beamte bei Hirt eingefunden. „Wie ist es möglich, dass jetzt im Moment in Ostkongo/Afrika die Entwicklungshilfeorganisation der BRD, die GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) den Anbau und die Anwendung von Artemisia annua anamed finanziell fördert, das Landratsamt Rems-Murr diese Pflanze jedoch gleichzeitig als schädlich und verbotswürdig einstuft?“, fragt Baumann. „Wie ist es möglich, dass in den Apotheken Deutschlands momentan Lieferengpässe für 259 Medikamente herrschen, da andere Länder mehr für sie bezahlen – und Heilpflanzen, die manche dieser Medikamente ersetzen können, vehement verboten werden?“
Hirt empfindet die gesamte Lage ebenfalls als unverständlich: Das Zulassungsverfahren für die traditionelle Heilpflanze würde ihm zufolge rund 2,3 Milliarden Euro kosten. „Der Apotheker vermutet dahinter die Pharmalobby, die in Europa lieber Pillen verkaufe, als untätig der Verbreitung einer preisgünstigen Heilpflanze zusehe“, so der epd. „Weder Basilikum noch Zimt bekämen heute noch eine Genehmigung“, meint Hirt.
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