Kosmetika: Vorsicht bei Mundrose dpa, 27.04.2016 14:03 Uhr
Bei einer Mundrose spannt, brennt und juckt die Haut um den Mund herum. Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein großflächiger Ausschlag. Ursache ist ein Teufelskreis aus Hautirritationen und übermäßiger Gesichtspflege. Die Therapie erfordert Disziplin.
Plötzlich war da dieses kleine rote Knötchen neben ihrem Mund, als Carolin Weigel morgens in den Spiegel schaute. Zuerst dachte sie sich nichts dabei und machte weiter wie bisher: nach dem Aufstehen eine Reinigungslotion fürs Gesicht, eine Tagescreme und Make-up. Und abends schminkte sie das Ganze wieder ab – mit einer Seifenlösung und einer anschließenden Feuchtigkeitscreme.
„Doch die Haut um den Mund spannte und juckte immer mehr“, erzählt die 27-jährige Studentin aus München. Innerhalb weniger Wochen hatten sich die Rötungen bis zum Kinn ausgebreitet und begannen zu schuppen. Weigels Make-up wurde immer dicker, doch den Ausschlag konnte es nicht mehr verdecken. „Ich fühlte mich unattraktiv und dachte, alle starren auf mein Gesicht und finden mich ungepflegt.“ Schließlich ging sie zum Hautarzt. Diagnose: periorale Dermatitis, auch Mundrose genannt.
„Bei der perioralen Dermatitis handelt es sich um eine Intoleranzreaktion der Gesichtshaut, der eine wiederkehrende Irritation zugrunde liegt“, erklärt Professor Andreas Wollenberg von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und Oberarzt an der Hautklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch unklar. Als wesentlicher Auslöser gilt jedoch die übermäßige Anwendung von Hautpflege-Produkten. Vor allem Frauen zwischen 20 und 40 Jahren sind von der Erkrankung betroffen. „Durch eine Überpflegung leidet die natürliche Barrierefunktion der Haut, die Hornschicht quillt auf, und es kommt zu einem erhöhten Wasserverlust.“
In der Folge trocknet die Gesichtshaut aus, sie spannt und brennt. Vor allem in der Mundregion bilden sich Hautrötungen mit kleinen Knötchen und Bläschen, aber auch die Stirn, Wangen und Augenlider sowie das Kinn können betroffen sein. Ein schmaler Streifen um die Lippen herum ist hingegen nicht vom Ausschlag befallen. „Das ist ein typisches Merkmal der Erkrankung“, sagt Wollenberg.
Das Spannen und Jucken der Haut verleitet viele Betroffene zu einer noch intensiveren Hautpflege, so dass ein Teufelskreis entsteht. „Oft verwenden sie Kosmetika, die nicht zu ihrem Hauttyp passen“, sagt Ulrich Klein vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und Hautarzt im Dermacenter Witten. Die Fettgehalte der Pflegeprodukte und des eigenen Hauttyps sollten sich nicht sehr unterscheiden.
Pflegemilch-Produkte haben am wenigsten, Salben am meisten Fett. Dazwischen liegen Pflegecremes. „Zum Beispiel leiden die Abwehrkräfte einer trockenen Haut, wenn man stark fetthaltige Salben verwendet“, erläutert Klein. „Der Barrierefilm einer normal gefetteten Haut kann hingegen beschädigt werden, indem man die Haut zunächst mit Reinigungsalkohol austrocknet und ihr anschließend zu wenig Fett, etwa in Form einer Pflegemilch, zuführt.“
Solche falschen Pflegeroutinen haben Betroffene oft tagtäglich über Jahre angewendet. Umso schwerer fällt ihnen häufig der erste Behandlungsschritt: Rund sechs Wochen lang sollen sie auf alle Hautpflegeprodukte und Kosmetika verzichten. „Das heißt: Man reinigt und pflegt sein Gesicht einzig und allein mit klarem Wasser“, erläutert Professor Thomas Bieber von der Deutschen Haut- und Allergiehilfe (DHA) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Bonn. Ziehen die Betroffenen diese sogenannte Nulltherapie durch, klingt die Mundrose in der Regel vollständig ohne Narben ab.
„In den ersten zwei Wochen verschlimmern sich die Beschwerden aber meistens wieder“, sagt Bieber. Gerade dann ist die Versuchung groß, sich wieder einzucremen. „Ist man nur einmal inkonsequent, fällt man wieder auf Tag eins der Nulltherapie zurück.“ Vor allem Kortisoncremes scheinen eine schnelle Lösung zu versprechen. „Doch sie lindern die Symptome nur kurzfristig, und nach Absetzen der Creme kommen die Beschwerden stärker zurück als vorher.“
Eine Möglichkeit, die Nulltherapie einfacher durchzustehen, bieten Schwarzteeumschläge. „Schwarztee enthält Gerbstoffe, die entzündungshemmend wirken und das Spannungsgefühl abmildern“, erklärt Klein. „Kühlen Sie den Schwarztee hierfür ab und legen Sie die Teeumschläge ein bis zwei Mal täglich für etwa zehn Minuten auf die betroffenen Hautstellen.“
Trotz Schwarzteeumschlägen können oder wollen einige Betroffene die wochenlange Nulltherapie nicht durchhalten. Dann helfen unter Umständen dünnflüssige, fettarme und feuchtigkeitsspendende Cremes ohne Duft- und Konservierungsstoffe.
Ist die periorale Dermatitis stark ausgeprägt, müssen in seltenen Fällen auch Antibiotika zum Einsatz kommen. „Durch eine geringe Dosierung von Antibiotika können wir deren anti-entzündliche Wirkung ausnutzen und so das Immunsystem der Haut beruhigen“, erklärt Bieber.
Carolin Weigel hat inzwischen wieder eine gesunde Haut ohne rote Knötchen und Bläschen. Neben der Nulltherapie hat ihr vor allem eine Hautbilduntersuchung bei ihrem Hautarzt geholfen. „Meine Haut hat einen hohen Wasserverlust und einen geringen Fettgehalt“, sagt sie. Deshalb wäscht sie ihr Gesicht heute immer ohne Seife und benutzt hauchdünnes Make-up für sensible Haut.