Pharmakonzerne

8 Milliarden Dollar für Glyphosat: Bayer will Schlussstrich dpa/APOTHEKE ADHOC, 09.08.2019 11:49 Uhr aktualisiert am 09.08.2019 16:00 Uhr

Der wegen Tausender Glyphosat-Klagen unter Beschuss stehende Bayer-Konzern strebt laut Insidern einen Vergleich in den USA an. Foto: APOTHEKE ADHOC
Leverkusen - 

Nach der Monsanto-Übernahme ist die Klageflut gegen Bayer wegen möglicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat zuletzt noch einmal gestiegen. Jetzt wird über einen Milliarden-Vergleich in den USA spekuliert. Der könnte anders ausfallen, als am Markt erwartet.

 

Der Agrarchemie- und Pharmakonzern schlage eine Zahlung von bis zu 8 Milliarden US-Dollar (ca. 7,15 Mrd.Euro) vor, um die Klagen der zuletzt 18.400 Kläger beizulegen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg heute unter Berufung auf eine mit den Verhandlungen vertraute Person berichtet. Ein Bayer-Sprecher wollte dies auf Anfrage der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX nicht kommentieren.Der Aktienkurs schnellte dennoch nach oben.

Wenngleich eine Lösung der Causa Glyphosat noch Monate dauern könnte, wäre es ein Befreiungsschlag für den Dax-Konzern. Die Bayer-Aktien setzten denn auch ihre Erholungsrally der vergangenen Tage mit einem Plus von mehr als sieben Prozent am Vormittag auf 67,50 Euro fort. Die möglichen 8 Milliarden Dollar wären deutlich weniger als viele Analysten, die ohnehin mit einem Vergleich rechnen, zuletzt auf dem Zettel hatten. Experte Markus Mayer von der Baader Bank etwa ging davon aus, dass eine Einigung im Bereich um die 15 bis 20 Milliarden Euro (16,7 bis 22,3 Mrd Dollar) positiv für den Aktienkurs wäre.

Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research äußerte sich ähnlich optimistisch. Alles unter 30 Milliarden Dollar wäre positiv für den Aktienkurs, sagte er am Freitag. Sollten es tatsächlich nur 8 Milliarden werden, hätte der Kurs wohl 30 Prozent Luft nach oben - gerechnet ohne die Gewinne vom Freitag.

In den vergangenen Tagen hatten Investoren bereits die Vertagung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses als Hinweis auf fortschreitende Vergleichsverhandlungen interpretiert. Der Druck auf Konzernchef Werner Baumann war in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil Bayer bereits drei Verfahren um Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter mit Schadensersatzforderungen im jeweils mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verloren hatte. Trotz der jüngsten Aktienkurserholung notieren die Papiere immer noch rund 28 Prozent tiefer als vor der ersten Prozessschlappe wegen Glyphosat vor einem Jahr. Das bedeutet beim Börsenwert ein Minus von 24 Milliarden Euro.

Bayer fährt bisher offiziell zwar eine harte Linie und verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien weiterhin auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und will vor Berufungsgerichte ziehen. Konzernchef Baumann hatte zuletzt jedoch abermals gesagt, dass ein Vergleich durchaus in Frage käme, wenn er wirtschaftlich Sinn machen würde. So verschlingen allein die Kosten für Anwälte und Imagekampagnen hunderte Millionen Euro.

Zudem hatte Richter Vince Chhabria, bei dem Hunderte Klagen gebündelt sind, die Streitparteien bereits zu einer einvernehmlichen Lösung aufgefordert und mit dem US-Staranwalt Ken Feinberg einen Mediator bestellt. Er gilt als bekanntester US-Experte in Entschädigungsfragen und wird häufig als Schlichter berufen. Er war unter anderem für Kompensationen nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zuständig.

Und auch von anderer Seite kommt Druck. So mischt der für sein aggressives Gebaren bekannte US-Milliardär und Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott bei Bayer inzwischen mit einer Beteiligung von mehr als einer Milliarde Euro mit. Noch gab er sich zwar zahm und lobte Bayer-Schritte wie die Gründung eines Aufsichtsratsausschusses, der das Thema Glyphosat vorantreiben soll. Wie lange Singer bei fehlenden Fortschritten ruhig bleibt, ist aber fraglich.

Sollte Bayer sich in den kommenden Monaten tatsächlich auf einen Vergleich einigen, wäre die mit Abstand größte Baustelle des Konzerns erst einmal bereinigt. Beim Konzernumbau gab es zuletzt schon Fortschritte: Es fanden sich Käufer für die schwächelnde US-Fußpflegemarke Dr. Scholl's und die Sonnenschutzmarke Coppertone. Zudem wurde die Beteiligung am Chemieparkbetreiber Currenta für mehr Geld losgeschlagen als gemeinhin erwartet.

Und auch für das Geschäft mit Tiergesundheit scheint eine Lösung unmittelbar bevorzustehen. Es könnte laut Bloomberg für mehrere Milliarden an den US-Konkurrenten Elanco gehen, an dem Bayer im Gegenzug eine Minderheitsbeteiligung erhalten könnte. Bereits in der kommenden Woche könnte der Deal angekündigt werden, hieß es unlängst.

Update 9. August 2019, 16 Uhr: Der oberste Vermittler im Glyphosat-Streit hat einen bevorstehenden Vergleich zwischen Bayer und den Tausenden Klägern in den USA dementiert. "Bayer hat nicht vorgeschlagen, acht Milliarden US-Dollar zu zahlen, um alle US-Roundup-Krebs-Klagen beizulegen", sagte US-Anwalt Kenneth Feinberg dem "Handelsblatt" (HB) laut einem heute veröffentlichten Vorabbericht.