Baustellen-Video: „Mit den Ärzten ist alles abgesprochen“ Eugenie Ankowitsch, 14.10.2017 08:38 Uhr
Eine Großbaustelle vor der eigenen Apotheke ist mehr als nur ärgerlich. Sie ist häufig mit empfindlichen Kunden- und Umsatzeinbußen verbunden. Das musste der Apotheker Jürgen Brandt, der die St. Viti-Apotheke in niedersächsischen Heeslingen betreibt, schon in den ersten Tagen nach Beginn der Baumaßnahmen feststellen. Doch der Pharmazeut geht offensiv mit dem Thema um und ließ sogar ein Video drehen, um seine Kunden zu informieren. Mit den Ärzten im Ort sei „alles abgesprochen“, lässt er sie wissen.
Eine neue Regenwasserkanalisation soll her, die Fahrbahn der Hauptverkehrsstraße und der Kreisverkehrsplatz sollen erneuert werden: Die umfangreichen Baumaßnahmen werden noch viele Monate – voraussichtlich bis Dezember 2018 – das Ortsbild und das Geschäftsleben von Heeslingen bestimmen. Im ersten Bauabschnitt hat es gleich die St. Viti-Apotheke getroffen. Die Straße vor der Apotheke ist komplett gesperrt und die erste Asphaltschicht bereits abgetragen. „Lediglich ein provisorischer Fußweg führt noch zur Apotheke“, so Brandt. „Wer mit dem Auto kommt, muss es etwa 200 Meter von der Apotheke entfernt abstellen und zu Fuß gehen.“
Doch auch der Weg bis dahin hat es in sich. Durch die Sperrung mehrerer Straßen sind der Nord- und der Südteil von Heeslingen komplett voneinander getrennt. Für die Heeslinger bringt das unerwartete Umwege mit sich. Will man in den jeweils anderen Ortsteil, muss man nach Angaben des Apothekers einen etwa acht Kilometer langen Umweg über die umliegenden Dörfer in Kauf nehmen.
„Dass Menschen bei diesen Umwegen unter Umständen eine andere Apotheke aufsuchen, muss ich leider akzeptieren“, so Brandt. Doch kampflos hinnehmen will der Apotheker das nicht und hat gemeinsam mit den anderen betroffenen Unternehmen ein Video drehen lassen, um so seine Kunden über Alternativen zu informieren. Mit dem weißen Schutzhelm, der orangenen Warnweste und einer Schaufel „bewaffnet“ erklärt der Apotheker darin: „Gehen Sie zu Ihren Ärzten, lassen Sie sich die benötigten Medikamente verordnen“, sagt er. „Und wenn Sie nicht zu uns kommen können, kommen wir gern zu Ihnen.“ Mit den örtlichen Ärzten sei alles abgesprochen, die Kunden bräuchten sich um nichts mehr zu kümmern.
Zwei Arztpraxen mit insgesamt drei Allgemeinärzten gibt es in der rund 4800-Einwohner großen Ortschaft. Durch die Bauarbeiten wurde die St. Viti-Apotheke von den Medizinern mehr oder weniger abgeschnitten. Die Ärzte hätten jedoch mit sehr viel Verständnis reagiert und sich bei Gesprächen kooperativ gezeigt, so Brandt. „Sobald ein Patienten signalisiert, dass er das Rezept in meiner Apotheke einlösen möchte, aber nicht hinkommt, soll in der Praxis dann geholfen und beispielsweise auf unseren Botendienst aufmerksam gemacht werden“, erläutert er.
Bereits im Vorfeld hat Brandt eigenen Angaben nach die Lieferstruktur seines Botendienstes den geänderten Umständen angepasst. So wurde beispielsweise für etwaige zusätzliche Fahren ein Fahrzeug abgestellt. Auch wenn der Apotheker tatsächlich einige Zusatzfahrten verzeichnet, würden sie die bereits eingetretenen Umsatzverluste bei weitem nicht aufwiegen.
Auch wenn man berücksichtigt, dass die Kundenfrequenz in den Ferien immer etwas geringer sei, müsse die Apotheke kräftige Verluste verkraften, beklagt der Apotheker. Bereits in den ersten Tagen hat er einen deutlichen Rückgang festgestellt. „Während an einem normalen Mittwochvormittag in den Ferien 90 bis 110 Kunden kommen, waren es vergangenen Mittwoch rund 50“, erklärt Brandt. Auch donnerstags hat lediglich etwa die Hälfte der Kunden den (Um) Weg in die St. Viti-Apotheke auf sich genommen. Der Apotheker hofft jedoch, dass das Geschäft nach den Ferien sich zumindest etwas erholt.
Bis Ende Dezember soll der erste Bauabschnitt fertiggestellt werden. Doch der Apotheker ist skeptisch: „Das glaubt ja kein Mensch, dass es dann soweit ist.“ Baustellen seien eben äußerst witterungsanfällig. „Sobald es kälter wird, geraten auch die Bauarbeiten ins Stocken“, meint Brandt und stellt sich auf eine eher längere Ausnahmesituation ein.