Mittels Informationsschreiben empfiehlt die Barmer ausgebildeten Fachärzt:innen neuerdings konkrete verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel. In der Ärzteschaft fühlen sich einige dadurch auf den Schlips getreten. Mehr noch: „Ich sehe hier deutlich meine Therapiehoheit untergraben und glaube nicht, dass solche Werbung zu den Aufgaben einer Krankenkasse gehört“, so ein Facharzt für Nervenheilkunde, der im vergangenen Monat erstmalig ein solches Schreiben erhielt.
„Zur Therapie der Schizophrenie stehen verschiedene Neuroleptika zur Verfügung. Sie unterscheiden sich in ihrem Rezeptorprofil, welches Wirksamkeit und Nebenwirkungen beeinflusst sowie in der Wirtschaftlichkeit“, heißt es in dem Schreiben. Konkret werden Ärzt:innen in diesem Schreiben dazu aufgefordert, das Fertigarzneimittel Reagila mit dem Wirkstoff Cariprazin von Recordati „zu beachten“, wie ein Facharzt berichtet.
„Solch ein Werbeverhalten ist mir bisher nur von den Pharmafirmen selbst bekannt. Das nun auch noch die Krankenkasse anfängt, Empfehlungen auszusprechen, ist mir neu. Ich glaube nicht, dass dies die Aufgabe der Kasse sein sollte.“ Paradox findet der Facharzt ebenfalls, dass auf der einen Seite ein Versuch der Einschränkung der Werbung durch die Pharmaindustrie unternommen werde. Auf der anderen Seite jedoch greife die Kasse nun selbst zu solchen Maßnahmen: „Das ist natürlich auch einfacher, wenn man sozusagen auf dem Schoß des Gesundheitsministers sitzt. Ich glaube, die Firma Recordati setzt so das Interesse für vermehrte Verordnungen durch – in Zusammenarbeit mit der Barmer.“
Begründet wird die Werbung für Reagila in dem Schreiben mit dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit: „Reagila ist die erste Substanz zur Therapie der Schizophrenie, die erfolgreich den AMNOG-Prozess durchlaufen hat. Das Medikament hat im Hinblick auf eine Verbesserung von Parametern der Lebensqualität in der Langzeit-Therapie der Patientinnen und Patienten mit einer negativen Symptomatik einen Zusatz-Nutzen zugesprochen bekommen. Aufgrund des Zusatz-Nutzens hat es einen offiziellen Erstattungsbetrag erhalten und ist wirtschaftlich durch die abgeschlossene Rabatt-Vereinbarung von der Barmer und Recordati.
Weiterhin wird dem Arzt die Verordnung schmackhaft gemacht durch „den Vorteil der Regress-Prophylaxe“. Bei indikationsgerechtem Einsatz und für die Patientinnen und Patienten mit Negativ-Symptomatik sei dies ein „Zusatz-Nutzen“. Die Barmer bittet im abschließenden Satz „vor dem Hintergrund der aufgezeigten Vorteile und im Rahmen der Therapie-Hoheit, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Negativ-Symptomatik, Reagila zu beachten“.
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