Baltrum

Insel-Apotheke ist kein Einzelfall Maria Hendrischke, 30.08.2015 08:47 Uhr

Berlin - 

Immer mehr Apotheken in dünn besiedelten Gebieten müssen aufgeben. Ein aktuelles Beispiel ist die Insel-Apotheke auf der Nordseeinsel Baltrum, für die noch kein Nachfolger gefunden wurde. Der Apothekerverband Niedersachsen schlägt nun Alarm: Denn das sei kein Einzelfall; die flächendeckende Arzneimittelversorgung im Bundesland sei stark gefährdet.

Seit 1980 bietet die Apotheke auf Baltrum für Insulaner und Touristen medizinische Versorgung und Beratung. Die Apotheke wird von den Schwiegereltern der Inhaberin geführt. Das Ehepaar Räth will nun mit 75 Jahren in Rente gehen; die Familie sucht für die Weiterführung der Filiale einen Nachfolger – bislang habe noch keiner fest zugesagt. Es gebe allerdings Interessenten aus Göttingen und Bielefeld, um die Inselapotheke als Zweigstelle zu betreiben, berichtet Sebastian Räth, der Sohn des derzeitigen Apothekenleiters.

„Doch Apothekenfilialen müssen im selben Landkreis wie die Hauptapotheke liegen – oder zumindest in einem benachbarten“, erklärt Räth. Er habe bei der Landesapothekerkammer Niedersachsen angefragt, ob denn eine Sonderregelung im Fall Baltrum denkbar sei. „Sie konnten mir dazu nur sagen, dass bislang kein derartiger Antrag gestellt wurde“, sagt Räth. Demnach könne er auch nicht einschätzen, wie ernst es den Interessenten sei. „Fest steht, dass meine Familie die Apotheke 2016 nicht mehr betreiben wird“, betont er.

Dann müssten Anwohner und Besucher ihre Medikamente womöglich auf dem Festland besorgen. Es sei im Gespräch, auf Baltrum eine Pick-up-Stelle einzurichten. Doch Touristen könnten sich dagegen entscheiden, auf einer Insel ohne Apotheke ihren Urlaub zu verbringen, befürchtet Räth. „Der Tagesausflügler, der sich den Fuß an einer Muschel aufgeschnitten hat und eine apothekenpflichtige Desinfektion möchte, könnte nicht bedient werden“, nennt er ein Beispiel. Eine schnelle Medikamentenbelieferung wird zudem dadurch erschwert, dass die Fährverbindung zur Insel tidenabhängig ist.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts flog daher im vergangenen Winter eine Drohne Medikamente in die Seehund-Apotheke auf die Nordseeinsel Juist. Die Apothekenmitarbeiter waren damit sehr zufrieden: „Wir werden normalerweise mit dem Flugzeug beliefert. Doch bei Dunkelheit, Nebel oder starkem Wind kann es nicht starten“, sagt Apothekerin Nicole Vodde. Die Drohne dagegen konnte fliegen, so dass auch in zwei oder drei Notfällen Medikamente geliefert werden konnten. „Vielleicht wird das Projekt im kommenden Winter verlängert. Aber die Kosten für den Einsatz sind noch immer recht hoch, daher ist das ungewiss“, berichtet sie.

Die schwierige Nachfolgersuche auf Baltrum sei kein Einzelfall, heißt es vom Apothekerverband Niedersachsen. Neben den ostfriesischen Inseln seien auch die Regionen Unterelbe, Wesermarsch und der Harz von Apothekenschließungen bedroht. Eine Apotheke, die nicht mehr wirtschaftlich geführt werden kann, sei nahezu unverkäuflich.

Landapotheken befänden sich häufig in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Insbesondere außerhalb der Urlaubssaison gebe es kaum Laufkundschaft, so Verbandschef Berend Groeneveld. Zudem seien die Apotheken verstärkt auf Ärzte angewiesen: Im Gegensatz zur Stadtapotheke machten sie üblicherweise bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Doch auch Landärzte müssen schließen, da sich immer weniger junge Ärzte als Nachfolger finden lassen.

Bei der Inselapotheke Baltrum ist der Fall etwas anders gelagert: Auf der Insel gibt es eine Arztpraxis. Doch tatsächlich mache die Apotheke drei Viertel ihres Umsatzes mit OTC- und Freiwahlprodukten – anders als die „typische“ Landapotheke nach der Beschreibung des Apothekerverbands.

„Erschwerend kommt hinzu, dass die Apothekenbetriebe nach wie vor mit den Folgen verschiedener gesetzlicher Sparmaßnahmen zu kämpfen haben“, sagt Groeneveld. Dazu zählt er die Umstellung der Großhandelsvergütung und den Mehraufwand durch die Rabattverträge. Die Anpassung des Apothekenhonorars und die Einführung der Notdienstpauschale hätten das nicht ausgleichen können, so Groeneveld.

In Niedersachsen wurden im vergangenen Jahr 16 Apotheken neu eröffnet, 30 mussten schließen. Von 2010 bis Ende 2014 haben in Niedersachsen insgesamt 113 Apotheken aufgeben müssen.