Backen Apotheker künftig Brötchen? APOTHEKE ADHOC, 01.05.2019 10:06 Uhr
Das Sterben der Innenstädte macht den Apothekern zunehmend zu schaffen. Ein Pharmazeut aus Neviges will als Mitglied einer Werbegemeinschaft wieder mehr Kunden ins Zentrum locken. Trotziger Schlachtruf: „Notfalls betreiben wir Bäckerei oder Fleischtheke in Eigenregie!“
So viel Mumm muss man erst einmal haben. Schließlich haben einige Geschäfte im Stadtgebiet Neviges, das im nordrhein-westfälischen Velbert liegt, nicht geschlossen, weil sie sich vor Kunden kaum retten konnten. Im Gegenteil. Das Kleinkaufhaus Gassmann hat, wie die Westdeutsche Zeitung berichtet, schon im vergangenen Jahr für immer geschlossen.
Schon damals nahm die Werbegemeinschaft WGN beherzt den Rechenstift in die Hand. Sie wollte das Kaufhaus kurzerhand selbst weiterführen. Doch bald stand fest: Das rechnet sich nicht. Allein für den Warenbestand wären 300.000 Euro zum Start nötig gewesen. Zu viel Geld für eine kleine Werbegemeinschaft.
Also Plan B. Die Fragestellung lautet: Wie lockt man Kunden in die Innenstadt? Die Haupt-Zielgruppe sind die rund 18.900 Neviger. Viele Menschen mögen hochwertige Backwaren und Fleisch und Wurst. Diese Läden, die dann auch den anderen Anbietern Kunden bringen, fehlen im Zentrum. Ein ortsansässiger Bio-Fleischer winkte allerdings ab, er hat keine Kapazitäten für einen weiteren Standort.
Innerhalb von sechs Monaten wollen Apotheker Thomas Bellers, Inhaber der Schwanen-Apotheke, und Helmut Wulfhorst, Inhaber des Nevigeser Reisedienstes, eine Lösung finden. Wulfhorsts Grundthese: „Es sind keine Möglichkeiten vorhanden, den täglichen Bedarf zu decken. Es gibt keine hochwertigen Backwaren und keine Fleischtheke mit Preisen im mittleren Preissegment. Wenn diese Produkte nicht in der Innenstadt vorhanden sind, kommen keine Leute in die Stadt.“
Sein Ansatzpunkt zur Lösung des Problems lautet laut Westdeutscher Zeitung so: „Ich denke, dass wir so was wie das Wursthaus König in Velbert aufziehen können, das sind hochwertige Produkte von Fremdanbietern. Das gleiche System kann ich mir auch bei Backwaren vorstellen. Wenn wir niemanden finden, machen wir es selber.“ Die Gründung einer eigenen GmbH ist hierfür bereits geplant.
Natürlich bleibt der Schuster bei seinem Leisten und der Apotheker in seiner Offizin, aber als Motor hinter dem Projekt ist Apotheker Bellers ein wichtiger Mann in Neviges. Während Bewohner anderer Städte, die vom selben Problem betroffen sind, laut nach der Politik rufen, hat man sich in Neviges auf die Philosophie des verstorbenen US-Präsidenten John F. Kennedy besonnen: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.“ Aber die Organisation von Bäckerei und Fleischerei kann man vermutlich getrost einem gewissenhaften Apotheker anvertrauen.
Die Einrichtung von Bäckerei und Metzgerei soll rund 80.000 Euro kosten. Das Geld soll von engagierten Nevigesern kommen. Zusätzliche Investoren, so die Werbegemeinschaft, sind willkommen. Langfristig werden auch Mitarbeiter gesucht. Das Projekt ist, so sagen die beiden von der Werbegemeinschaft, nicht gewinnorientiert. Vor Weihnachten sollen die Läden laufen.