Apothekenschließung

Aus zwei mach eins

, Uhr
Berlin -

Schon in wenigen Wochen wird die älteste Apotheke in Sangerhausen, die Rats-Apotheke, geschlossen. Einmal mehr geht eine Apothekerin in Rente. Einmal mehr findet sich kein Nachfolger für eine kleine Apotheke, die wirtschaftlich kein Hauptgewinn ist. Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Doch diesmal gibt es auch einen Lichtblick: Die zweite von Martina Seifert geführte Apotheke kann erhalten werden. Die bisherige Filialleiterin Juliane Hörold wird sie übernehmen.

Für Hörold und ihre Kolleginnen sind es die letzten Wochen in den historischen Räumen. Zum Jahresende schließt die Sangerhäuser Rats-Apotheke, die älteste Apotheke der Stadt, für immer ihre Pforten. Immerhin 349 Jahre lang befand sich eine Apotheke in dem denkmalgeschützten Haus etwas abseits der Innenstadt.

Auf einer Inschrift im Inneren sind die Namen der 20 Apotheker nachzulesen, die dort wirkten: Von Basilius Neumann (1668 bis 1678) bis zu Ingrid Weller, die die Apotheke zwischen 1990 und 2013 führte. Der Name der jetzigen Besitzerin Martina Seifert fehlt in dieser Aufzählung und wird dieser auch nicht mehr hinzugefügt. Gern hätte die 65-Jährige die Rats-Apotheke erhalten, die sie vor vier Jahren als Filiale ihrer Barbarossa-Apotheke übernahm. Doch sie geht zu Beginn des neuen Jahres in den Ruhestand.

Hörold wird dann zwar die Barbarossa-Apotheke übernehmen, jedoch nicht die Rats-Apotheke. Dass die kleine Traditionsapotheke nun geschlossen wird, bedauert auch sie sehr. „Doch es gibt leider eine Reihe von Umständen, die den Betrieb der Rats-Apotheke erschweren“, sagt die 32-Jährige. So sei die Lage der Apotheke abseits der Haupteinkaufsstraße alles andere als optimal. Zwar existiere eine Bushaltestelle direkt vor der Tür. Es gebe jedoch keinerlei Parkplätze in der näheren Umgebung und die Zahl der Geschäfte im Umfeld habe auch abgenommen, so dass immer weniger Kunden kamen.

Erschwerend komme hinzu, dass es sehr schwer sei, Personal zu finden. „Man hätte mindestens einen Approbierten als Filialleiter gebraucht“, erklärt Hörold. Doch habe man trotz intensiver Suche niemanden finden können. Es hat sich auch niemand gefunden, der die Apotheke übernehmen wollte. „Schon die Vorbesitzerin hat sich sehr schwer mit der Suche nach einem Nachfolger getan“, sagt die Apothekerin. Leichter sei es seitdem nicht geworden.

Umso mehr freut sich Hörold, dass zumindest die zweitälteste Apotheke in Sangerhausen erhalten bleibt. Die Wochen vor der Übernahme der Barbarossa-Apotheke seien voll mit Bürokratie, seufzt die Apothekerin. Es müssten viele Formulare ausgefüllt und Telefonate geführt werden. Parallel muss sie sich zusammen mit ihrer Noch-Chefin um die Abwicklung der Rats-Apotheke kümmern und die Räumung vorbereiten. Nach der Schließung der Rats-Apotheke werden nunmehr sieben Apotheken die etwas mehr als 20.000 Einwohner große Kreisstadt mit Arzneimitteln versorgen.

Die 32-jährige Pharmazeutin hat in Halle studiert, kommt aber aus Sangerhausen. Die Barbarossa-Apotheke kennt sie schon seit ihrer Kindheit. Ihr Vater, der eine Zahnarztpraxis in der Stadt betreibt, wurde schon damals von der Apotheke beliefert. Ihre Eltern waren es auch, die ihr vorschlugen, Pharmazie zu studieren. „Damals hatten noch viele gedacht, dass es Apothekern sehr gut geht“, schmunzelt sie. Doch nachdem sie sich mit dem Berufsbild beschäftigt hat, entschied sich die junge Frau tatsächlich für ein Pharmaziestudium.

Sowohl ihre Famulatur im Grundstudium als auch sechs Monate des praktischen Jahres hat sie in der Barbarossa-Apotheke absolviert. Um eine andere Apotheke kennenzulernen, arbeitete sie die andere Hälfte des praktischen Jahres in einer Center-Apotheke in Halle. „Doch das war mir doch etwas zu groß“, sagt sie. „Außerdem wollte ich nach Sangerhausen zurück.“

Ihr beruflicher Weg führte sie nach dem Studium wieder direkt in die Barbarossa-Apotheke. Dort arbeitete sie erst ein Jahr als angestellte Apothekerin, als ihre Chefin die Rats-Apotheke als Filiale übernahm und Hörold die Leitung des ehrwürdigen Standortes übertrug. „Es war natürlich eine Herausforderung“, sagt sie. Dank der räumlichen Nähe zur Barbarossa-Apotheke, die nicht einmal 300 Meter entfernt liegt, habe sie ihre Chefin immer als Ansprechpartnerin gehabt. Die ersten Monate war auch die ehemalige Inhaberin noch mit an Bord und unterstützte die junge Filialleiterin, die seitdem ein kleines Team aus einer Apothekerin und zwei PTA führt.

Sie werden nach Angaben von Hörold auch nach der Schließung ihre Arbeitsplätze behalten. „Eine Mitarbeiterin geht in den Ruhestand, die anderen werden künftig das Team der Barbarossa-Apotheke verstärken“, so Hörold. Auch Seifert wird – dann als Angestellte auf geringfügiger Basis – ihrem künftigen Team angehören. „Langfristig brauche ich aber unbedingt noch einen weiteren Approbierten, denn eine weitere Pharmazieingenieurin ist bereits 61 Jahre alt und wird sich in einigen Jahren in Rente verabschieden“, berichtet die Pharmazeutin.

Die 32-Jährige will sich zunächst Zeit nehmen, um sich in ihre neue Rolle als Chefin einzufinden und die Abläufe in der Barbarossa-Apotheke zu verinnerlichen. „Es ist ja schon eine Weile her, dass ich dort gearbeitet habe“, so die Apothekerin. „Ich bin aber auch niemand, der mit Pauken und Trompeten ankommt und verkündet, dass nun alles anders wird.“ Erst danach will sie sich Gedanken über mögliche Veränderungen machen und sie behutsam umsetzen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
Mehr aus Ressort
Saison startete 3 Wochen früher
Klimawandel verlängert Stechmücken-Zeit
Bei kaum längeren Fahrzeiten
Bessere Schlaganfallversorgung möglich

APOTHEKE ADHOC Debatte