Krank in die Feiertage

Atemwegserkrankungen: Viele Fälle vor Weihnachten

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Berlin -

Schniefend und hustend in die Feiertage: Wer will das schon? Doch rund anderthalb Wochen vor dem 24. Dezember deuten Daten des Robert Koch-Instituts darauf hin, dass Corona, Grippe und andere Atemwegserkrankungen weit verbreitet sind.

Die Vorweihnachtszeit in Deutschland wird getrübt durch weiter zunehmende Infektionszahlen bei akuten Atemwegserkrankungen. Corona, Erkältungen und auch Grippe sind immer noch oder zunehmend auf dem Vormarsch, wie aus aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Im Bericht zur Lage in der Woche bis 10. Dezember ist von hochgerechnet etwa 7,9 Millionen akuten Atemwegserkrankungen (vorheriger Bericht: 7,1 Millionen) bundesweit die Rede, unabhängig von Arztbesuchen.

Nachdem vor allem Corona schon länger dominiert, rief das RKI jüngst noch den Beginn der RSV-Welle aus (RSV steht für Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen). Nun nehmen auch Grippe-Nachweise deutlich zu.

Nach RKI-Definition hat die Grippewelle, ausgelöst durch Influenza-Viren, aber noch nicht begonnen. „Von Influenzaerkrankungen sind bisher vornehmlich Kinder im Schulalter und junge Erwachsene betroffen“, heißt es im Bericht. Die Meldezahl, also im Labor bestätigte Fälle von Influenza, ist mit rund 1400 für die Vorwoche bundesweit noch relativ niedrig. Sie hat sich aber im Wochenvergleich mehr als verdoppelt. Corona wird hierzulande noch sehr viel häufiger festgestellt: Rund 26.850 Erkrankte wurden für die vergangene Woche gemeldet. Die Meldezahlen sind bei beiden Erkrankungen als Spitze des Eisbergs zu verstehen.

Corona bedeutet: Ein Erreger zusätzlich

Insgesamt schätzt das RKI, dass vorige Woche pro 100.000 Einwohner 9500 eine akute Atemwegserkrankung hatten (Bericht der Vorwoche: rund 8500). Vor einem Jahr um diese Zeit war die Rate noch höher – in mehreren der Vorjahre niedriger, was aber teils auch an damaligen Corona-Maßmaßnahmen liegen dürfte. Bei Atemwegserkrankungen kann sich die Entwicklung ohnehin von Saison zu Saison erheblich unterscheiden. Bei den derzeit hohen Werten könnte Fachleuten zufolge immer noch ein kleiner Nachholeffekt eine Rolle spielen: Das bedeutet, dass sich gerade womöglich noch etwas mehr Menschen mit Erregern anstecken, mit denen sie in den Pandemie-Jahren nicht oder seltener als üblich in Kontakt kamen.

„Aber man muss natürlich auch beachten, dass wir jetzt einen Erreger für Atemwegserkrankungen mehr haben“, sagte der Dortmunder Immunologe Professor Dr. Carsten Watzl. Wenn man den derzeit relativ hohen Anteil von Sars-CoV-2 an allen Atemwegsinfektionen betrachte, so sei es kein Wunder, dass die gesamte Inzidenz über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie liege.

Menschen sind womöglich stärker sensibilisiert

„Zudem ist von einer höheren Aufmerksamkeit in der Bevölkerung auszugehen“, sagte der Bremer Epidemiologe Professor Dr. Hajo Zeeb. Und damit tendenziell auch von mehr Arztbesuchen wegen Atemwegserkrankungen, die sich auch in der Statistik beziehungsweise den Arbeitsunfähigkeitszahlen niederschlagen könnten.

Watzl widerspricht vehement Behauptungen, wonach die Hygienemaßnahmen in der Pandemie dem Immunsystem geschadet haben könnten. Dies stimme einfach nicht. „Ich muss mein Immunsystem nicht durch Infektionen trainieren, damit es überhaupt erst aktiv ist.“ Dass vermiedene Infektionen von damals nun nachgeholt werden, bedeute keine Schwächung des Immunsystems.

Schwere Corona-Verläufe sind nicht Geschichte

Trotz der Grundimmunität durch Impfungen und Infektionen in der Bevölkerung sind schwere Verläufe nicht völlig passé. Eine Corona-Infektion könne „noch ganz schön“ krank machen, sagte der Charité-Experte Dr. Leif Sander kürzlich im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Auch solche Ausprägungen, wie wir sie vor ein paar Jahren gesehen haben.“ Gründe könnten etwa eine länger zurückliegende Impfung oder keine gute Immunisierung sein. Einen gewissen Grad an Vorsicht halte er daher für geboten: Freiwillig eine Maske zu tragen, sei etwa in einer sehr vollen U-Bahn vernünftig – auch zum Schutz vor anderen Viren.

Auf die Corona-Warnungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) der vergangenen Tage folgte am Mittwoch Kritik vom Chef der Kassenärzte, Dr. Andreas Gassen. „Ich halte seine Warnungen und Appelle in der Dringlichkeit für überzogen. Wir haben schließlich keine pandemische Lage mehr“, sagte Gassen der Rheinischen Post. Früher habe man auch nicht wegen Erkältungen oder der Grippe überall zum Maskentragen und zum Verzicht auf Weihnachtsfeiern in Innenräumen geraten. „Was Sinn macht, ist die Impfung gegen Corona und Grippe für alle Älteren und Risikogruppen“, sagte Gassen.

Gerlach: Corona-Lage „derzeit nicht besorgniserregend“

Trotz steigender Infektionszahlen hält Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Corona-Lage derzeit insgesamt nicht für besorgniserregend. Zwar steige die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle auch in Bayern, sagte Gerlach. Aber die Zunahme von Atemwegserkrankungen sei im Herbst und Winter nicht ungewöhnlich – darauf habe das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ausdrücklich hingewiesen. Außerdem lösten die derzeit zirkulierenden Omikron-Subtypen angesichts der insgesamt guten Immunitätslage der Bevölkerung nur selten schwere Krankheitsverläufe aus, betonte sie. Gerlach hatte am Mittwoch mit zahlreichen Experten über die aktuelle Lage beraten.

„Glücklicherweise sind wir heute in einer ganz anderen Situation als noch zu Beginn oder in der Mitte der Pandemie“, sagte Gerlach. „Dank der erfolgreichen Impfkampagne und durchgemachter Infektionen haben wir einen sehr hohen Immunitätsgrad in der Bevölkerung. Entscheidend ist und bleibt Eigenverantwortung und gegenseitige Rücksichtnahme.“ Mit Blick auf Lauterbach kritisierte Gerlach, es sei falsch, Menschen unnötig zu verunsichern. Sie rief aber insbesondere Menschen ab 60, mit Vorerkrankungen sowie medizinisches und Pflegepersonal auf, ihren Impfstatus zu prüfen.

„Besonders Menschen mit bestehenden Vorerkrankungen, zum Beispiel an Lunge, Herz oder Niere oder Personen, die an Diabetes mellitus leiden, profitieren von einer Auffrischimpfung gegen Covid-19 in Absprache mit ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt“, sagte LGL-Präsident Christian Weidner. Der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Dr. Gerald Quitterer, mahnte: „Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben.“

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