Pro Tag kommen derzeit rund 100 Flüchtlinge in der zentralen saarländischen Landesaufnahmestelle in Lebach an. Auch medizinische Notfälle müssen versorgt werden. Dank ehrenamtlicher Helfer läuft das reibungslos. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) schaute sich die Aufnahmestelle am Mittwoch an.
Der Platz zwischen den drei Containern ist mit einer Plane überspannt. Darunter sitzen an Bierzeltgarnituren etwa zehn Flüchtlinge, die mit Rot-Kreuz-Helfern sprechen. So sieht das improvisierte Wartezimmer vor dem Arztcontainer in der zentralen Aufnahmestelle des Saarlands für Flüchtlinge in Lebach aus. Einige haben orangefarbene Westen an, sie übersetzen und vermitteln.
Die Westen werden an mehrsprachige Flüchtlinge ausgegeben, die sich als Dolmetscher zur Verfügung stellen, wie Erik Huber vom Deutschen Roten Kreuz erläutert. Er leitet diesen Abschnitt. In der Notfallpraxis behandelt ein aus Syrien stammender Arzt die Patienten. Viele Jahre hatte er eine Praxis im Saarland, inzwischen ist er im Ruhestand. Seine Hilfe hat er sofort angeboten, als klar war, wie sich die Situation in der Landesaufnahmestelle entwickeln würde. Selbst zu sprechen ist er an diesem Vormittag nicht. Der Rot-Kreuz-Helfer bittet um Verständnis und zeigt auf das volle „Wartezimmer“.
Dorthin kommen die Menschen mit Beschwerden, die in der Regel Zeugnis von den Fluchtstrapazen geben: Entzündungen, Hautkrankheiten, Läuse, häufiger auch Knochenbrüche. „Hygienische und medizinische Probleme“, fasst Dr. Gunter Hauptmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland (KV), zusammen.
Dass Infektionskrankheiten eingeschleppt worden seien, davon habe er noch nichts gehört, so Hauptmann. Damit bestätigt er Beobachtungen des DRK. Der Landesverband hatte sich kürzlich vehement gegen Gerüchte im Internet gewandt, die vor Infektionskrankheiten warnten: „Das ist Quatsch, und der schäbige Versuch, die Hilfe zu schmälern.“
Die improvisierte Praxis ist für Notfälle gedacht, unabhängig von der eigentlich umfangreichen Eingangsuntersuchung samt möglicher Impfungen. Auch dort gab es bislang nach Angaben des saarländischen Gesundheitsministeriums keine Hinweise auf besondere Gefahren. Acht Tuberkulose-Verdachtsfälle, zwei Hepatitis-B und zwei HIV-Fälle listet das Ministerium aus der Vergangenheit auf.
In Blickweite des Sanitätszentrums hat Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU) in einem Container seine Schaltzentrale bezogen. „Wir haben speziell für die Frauen ein Frauenzelt, wir haben einen Wickelcontainer, wir haben Hebammen, wir haben sogar einen Zahnarzt, das alles in kürzester Zeit“, listet der Minister auf.
Für seine zupackende, unbürokratische und teils unkonventionelle Vorgehensweise hat Bouillon viel Zustimmung erhalten. Große Verärgerung hat dagegen die Absage der Bundeswehr („aufgrund mangelnder personeller Ressourcen“) ausgelöst, die von Bouillon um Unterstützung mit Sanitätern und Ärzten gebeten worden war.
Ungeachtet dessen wird derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, aus den teils improvisierten Sofortmaßnahmen Dauereinrichtungen zu machen. In Lebach stellt man sich darauf ein, dass die Zahl neu ankommender Flüchtlinge unvermindert hoch bleibt. In den vergangenen Wochen waren es nach Angaben des Innenministeriums im Durchschnitt pro Tag etwa 100 Neuankömmlinge. Zwei Drittel davon werden auf andere Länder verteilt. In Lebach selbst sind aktuell rund 2200 Flüchtlinge untergebracht. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien und wohnen verteilt auf derzeit 56 Wohnhäuser mit 205 Mehrzimmerwohnungen und 608 Zimmern.
KV, Ärztekammer sowie Innen- und Gesundheitsministerium bereiten eine feste Praxis vor, für eine „niederschwellige erste medizinische Versorgung“, so Hauptmann. Um jeden Tag eine ganztägige Sprechstunde zu organisieren, brauche man etwa zehn Kollegen. Die Bereitschaft im Kollegenkreis sei sehr groß, ergänzt der KV-Chef. „Wir tun alles, was uns hier vor Ort möglich ist.“ Wenn alles nach Plan verläuft, könnte die Praxis schon in Kürze ihren regelmäßigen Betrieb aufnehmen.
„Verfolgte Menschen, die bei uns Schutz suchen, müssen gut versorgt werden“, so Gröhe. Ganz wichtig sei dabei die ärztliche Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen vor Ort. In Lebach traf er auch auf zwei syrische Ärzte, die in der Unterkunft helfen. „Ärzte mit Sprachkenntnissen sind wichtig“, betonte Gröhe. Deshalb sei es gut, dass in der Erstaufnahmestelle in Lebach syrische Ärzte bei der Behandlung unterstützten. „Diese Fähigkeiten müssen wir nutzen. Ein Arzt, der hierher geflohen ist und die Sprache der Flüchtlinge kennt, kann eine ganz wichtige Hilfe bei der Versorgung von Flüchtlingen sein", so der Minister.
Zuvor hatte Gröhe im saarländischen St. Wendel ein Clearinghaus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge besucht. Das Gebäude auf dem Gelände der SHG-Kliniken verfügt über 25 bis 28 Plätze und beschäftigt eine Ärztin, Pädagogen und Psychologen, die sich um die Kinder und Jugendlichen kümmern.
Gröhe betonte die Bedeutung von Einrichtungen, die auf die Erstaufnahme von unbegleiteten Minderjährigen spezialisiert sind: „Viele Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind noch Kinder. Sie kommen ohne den Schutz ihrer Familien in ein fremdes Land. Sie haben traumatische Erlebnisse hinter sich, sind verängstigt und dringend auf unsere Hilfe und Unterstützung angewiesen.“
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